Es waren aufregende Tage, die hinter den deutschen Reiterinnen der Disziplinen Dressur, Vielseitigkeit und Springen liegen. Vom 23. Juli bis zum 8. August fanden die Olympischen Spiele in Tokio statt. Wir blicken zurück auf die Höhepunkte, aber auch die Tiefflüge der Spiele.
Klare Dominanz der Dressurreiterinnen
Den Auftakt in den Reitsportdisziplinen machten die deutschen Dressurreiterinnen unter der Leitung von Bundestrainerin Monica Theodorescu. Als klare Favoritinnen für Mannschaftsgold reisten Isabell Werth mit Bella Rose, Jessica von Bredow-Werndl mit TSF Dalera BB und Dorothee Schneider mit Showtime FRH nach Tokio. Das sich die Entscheidung auf Einzel-Gold innerhalb des eigenen Teams abspielen würde – ein offenes Geheimnis.
Worauf im Vorfeld gehofft wurde, trat dann auch ein. Von Anfang an dominierten die deutschen Dressurreiterinnen das Feld. Allen voran Jessica von Bredow-Werndl, die mit ihrer Trakehner-Stute TSF Dalera BB in der Mannschaftsqualifikation als erste deutsche Starterin ins Viereck tanzte. Mit 84,379 Prozent legte sie die Bestleistung der gesamten Qualifikation hin. Daran sollte auch eine Isabell Werth mit Bella Rose, die erst einen Tag später, ebenso wie Dorothee Schneider startete, nichts mehr rütteln.
Ihre brillanten Leistungen wiederholten die Reiterinnen dann auch im Grand Prix Special, dem Mannschaftswettkampf. Dorothee Schneider läutet den Sieg der deutschen Mannschaft mit einem Paukenschlag ein. Gleich zweimal erhält sie die Höchste-Wertnote 10,0 für die Grußaufstellung. Mit 80,231 Prozent erhält die Framersheimerin als erste Teilnehmerin des Wettkampfs über 80 Prozent. Es sollten nicht die letzten Highlights des Tages werden.
In Topform präsentierte sich auch Isabell Werth mit Bella Rose. Sie legten einen fehlerfreien Ritt hin und erhielten dafür 83,298 Prozent. Werth zeigte sich nach ihrem Ritt mehr als zufrieden: “Ich bin total happy über Bella, sie hat eine fantastische Prüfung gezeigt.”
Was Dorothee Schneider und Isabell Werth eingeleitet hatten, wurde dann mit einem Kunstgriff von Jessica von Bredow-Werndl vollendet. 84,681 Prozent lautet das Ergebnis der Richter am Ende. Damit gewinnt die Deutsche Mannschaft Gold vor den USA und Großbritannien. Von Bredow-Werndl bleibt damit auch im Mannschaftswettkampf die Reiterin mit dem besten Ergebnis.
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Konkurrenz statt Team
Nach dem Erfolg im Team wurde der Wettkampf im Einzel mit Spannung erwartet. Hatten Isabell Werth und Jessica von Bredow-Werndl kurz zuvor noch gemeinsam und die Medaille gekämpft, wurden sie nun zu ihrer jeweils schärfsten Konkurrenz.
Spannend wurde es kurz vor Schluss- unter den letzten sechs Reiterinnen waren alle drei Deutschen. Als erstes musste von Bredow-Werndl ins Viereck. Gänsehaut pur – mit ihrer Kür zu der Musik von La-La-Land verzauberte sie zusammen mit Dalera die wenigen Zuschauer im Stadion und die vielen vor den Bildschirmen. Mit unglaublichen 91,732 Prozent übernahm sie die Führung. Doch für die gebürtige Bayerin hieß es zittern. Denn Isabell Werth ging erst kurz nach ihr an den Start. Diese zeigte ebenfalls eine fehlerfreie Leistung, mit 89,657 Prozent bleibt sie aber hinter von Bredow-Werndl zurück, die ihr Glück kaum fassen kann. Die letzten zwei Starterinnen Olympiasiegerin Charlotte Dujardin und Dorothee Schneider sollten am Ergebnis nichts mehr ändern. Jessica von Bredow-Werndl holt die Goldmedaille, Isabell Werth die Silberne.
Ihre Gefühle fasste die frischgebackene Olympiasiegerin so zusammen: “Pure Freude, Erleichterung und wahnsinnige Dankbarkeit. Dankbarkeit, dass ich das erleben darf, dass ich hier stehe, die zweite Goldmedaille um den Hals hängen habe, dass ich so ein wundervolles Pferd und so ein unglaubliches Team habe, das hinter mir steht – und meine Familie natürlich”.
Auch wenn es bei Isabell Werth und Bella Rose nicht ganz zur Goldmedaille gereicht hatte, zeigte sie sich glücklich über die Leistung ihres Herzenpferdes: “Es hat sich wirklich super angefühlt. Die Stute war fantastisch. Ich glaube wirklich, es war ihre beste Kür. Wenn man am Ende so über die Mittellinie geht, nach zwei Wochen, bei diesem Wetter und unter diesen ganzen Umständen, und das Pferd dann so noch einmal eine Mittellinie zelebriert und so nochmal Passagen und Piaffen macht, dann war das einfach Gänsehaut pur. Wenn man am Ende rausgeht und denkt, ich hätte es nicht besser machen können, dann bin ich happy und zufrieden.”
Überraschung in der Vielseitigkeit
Als klarer Favorit war Michael Jung nach Tokio gereist. Nach der Dressur lag der Doppel-Olympiasieger klar in Führung. Im anschließenden Gelände sollten seine Träume dann aber zerplatzen. Durch das Auslösen eines MIM-Clip erhält er 11 Strafpunkte.Jung sagte im Anschluss an seinen Ritt er habe das Krachen erst gehört nachdem er schon Meter weiter im Parcours gewesen sei. Das deutsche Team legt Einspruch ein, der wird jedoch abgelehnt. Michael Jung rutscht damit von Platz eins auf Platz 10. Die Chancen auf eine Medaille sind dahin.
Nicht ganz so viel Glück hatte auch Sandra Auffarth. In der Dressur unterliefen ihr ein paar kleine, aber teure Fehler. Im Gelände kommt sie etwas unpassend, verliert daraufhin die Linie und ihr Pferd Viamant du Matz läuft am Hindernis vorbei. Den rest des Parcours beenden die beiden mit einer Glanzleistung und im Eiltempo, damit nicht noch mehr Fehler durch das Überschreiten der Zeit für das deutsche Team zusammenkommen.
Mit einer tollen Dressur startete Julia Krajewski in den Wettkampf. Ihre Stute Amande de B´Neville liegen nach der ersten Teilprüfung bereits auf Platz fünf. Im Gelände zeigen die beiden dann was sie können. Fehlerfrei und mit nur einer Sekunde über der Zeit schiebt sich die Reiterin aus Warendorf auf den zweiten Platz nach dem Briten Oliver Townend mit nur zwei Punkten Vorsprung. Umso spannender wurde dann das Springen.
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Im Mannschaftsfinale, dass gleichzeitig als Qualifikation des Einzelfinales diente, gab die deutsche Equipe nochmals alles. Sowohl Sandra Auffarth, Michael Jung als auch Julia Krajewski bleiben ohne Fehlerpunkte. Mit einem Abwurf macht der Brite Oliver Townend den Weg zu Gold für Julia Krajewski frei. Das Ergebnis nach dem Mannschaftsfinale: Deutschland landet auf dem viertem Platz. Gold gewinnen die Engländer, Silber geht an Australien und Bronze an Frankreich. Doch in der Einzelwertung liegt Julia Krajewski auf Platz eins.
Historischer Sieg durch Julia Krajewski
Mit dem letzten Springen beginnt das Einzelfinale, das kaum hätte spannender sein können. Den ersten Startern gelingt allesamt keine Nullrunde. Auch die Zeit wird immer wieder zum Problem. Als erster ohne Abwurf bleibt der Japaner Kazuma Tomoto. Er kassiert aber 0,4 Zeitstrafpunkte. Die erste fehlerfreie Runde in der Zeit zeigte erst Andrew Hoy, der mit 62 Jahren als ältester Teilnehmer und viertletzter an den Start ging. Durch seine Leistungen bringt er sich in Medaillennähe. Es folgt der Brite Tom McEwen, der auch ohne Abwurf bleibt, aber einen eine Sekunde über der Zeit ins Ziel kommt. Aufgrund seiner Vorleistungen kommt er damit aber auf Platz eins. Als vorletzter Starter ging dann Oliver Townend an den Start. Mit einem Abwurf ist er jedoch schnell raus aus den Medaillenrängen.
Die Chance auf Gold für Julia Krajewski stand und fiel nun mit ihrem Ergebnis. Einen Abwurf hätte sie sich nicht leisten können. Und das tat sie auch nicht. Lediglich einen Zeitstrafpunkt nahm sie mit, als eine mit einer Sekunde über der Zeit ins Ziel ging. Julia Krajewski und Amande de B´Neville gewinnen damit die Einzel-Goldmedaille in der Vielseitigkeit und schreiben damit Geschichte. Denn damit ist Julia Krajewski die erste Frau die den Einzelwettkampf der Vielseitigkeitsreiter bei den Olympischen Spielen für sich entscheiden konnte.
Nach ihrem Sieg machte sie deutlich, wem sie den Sieg zu verdanken habe: “Ich bin einfach unfassbar stolz auf mein Pferd und glücklich das geschafft zu haben. Und da ist ein ganz großes Gefühl von Dankbarkeit an all die Leute, die immer an mich geglaubt haben und hinter mir stehen. Mein Handy explodiert gerade. Irgendwie ist es ein riesiges Gefühl so eine Medaille gewonnen zu haben für Deutschland und für alle, die immer an mich glauben. Mandy ist bekannt dafür ein bisschen stutig zu sein, die war als ich mich das erste Mal draufgesetzt habe, schon ein bisschen am Bocken und hat sich gut angefühlt und ist die zweite Runde fast noch besser gesprungen als die erste. Sie hat mir unheimlich viel Sicherheit gegeben, ich hatte fast das Gefühl, sie weiß worum es geht heute und hat alles für mich gegeben. Die Medaille gehört genauso meinem Pferd wie mir. Ich bin einfach unheimlich stolz, das hier so abgeliefert zu haben.”
Enttäuschend: Das Ergebnis der Springreiter
Nach den wahren Höhenflügen der Dressurreiterinnen und der Goldmedaille von Julia Krajewski wurde natürlich mit Spannung erwartet ob auch die deutschen Springreiter das Hochgefühl weiter tragen könnten. Doch bereits in der Einzelqualifikation zeichnete sich ab, dass dies nicht gelingen würden.
André Thieme mit DSP Chakaria und Christian Kukuk mit Mumbai schieden in der Qualifikation aus, da sie es nicht unter die besten 30 schafften. Nur Daniel Deußer mit seiner Stute Killer Queen schaffen überhaupt den Sprung ins Einzelfinale. Doch dort konnte auch er sich nicht gegen die Konkurrenz durchsetzen. Mit zwei Abwürfen entfernte er sich weit von den Medaillen und landete auf Platz 18 von 30 Startern. Gold geht an den Briten Ben Maher. Silber gewinnt der Schwede Peder Fredericson vor Maikel van der Vleuten aus den Niederlanden auf Platz drei.
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In der Qualifikation für die Mannschaftswertung konnte man dann kurzzeitig wieder hoffen. Mit Maurice Tebbel, der bereits vorab fest für die Mannschaft gesetzt war, kam ein frischer Wind in die Sache. Neben Tebbel traten André Thieme und auch Daniel Deußer für das Team an. Mit einem zweiten Platz, den sich die deutsche Mannschaft mit den Belgiern teilen musste, zeigte die Deutsche Mannschaft ihre beste Leistung. Doch leider sollten sie diese beim Mannschaftsfinale nicht halten können. Mit gleich zwei Abwürfen läutete André Thieme den Wettkampf ein. Maurice Tebbel zeigte eine gute Runde, ließ aber auch eine Stange fallen. Daniel Deußer, der dem deutschen Team eigentlich noch zu einem wenigstens guten Abschluss hätte führen sollte, hatte eine vollkommen unerwartete Verweigerung und gab dann folgerichtig auf. Deutschland geht damit auf Platz Neun von Zehn aus dem Wettkampf und erzielt damit das schlechteste Ergebnis der Springreiter bei Olympia seit 1992.
Schlagzeilen nicht nur aufgrund sportlicher Leistungen
Trotz der brillianten Erfolge der Dressur-Equipe und den grandiosen Einzelergebnissen von Jessica von Bredow-Werndl und Julia Krajewski bleibt am Ende der Spiele ein etwas bitterer Beigeschmack am Ende dieser Spiele zurück, der nicht nur auf die erfolglosen Ergebnisse der Springreiter zurückgeführt werden kann.
Wie bei fast jedem Großereignis bei dem der Reitsport im Rampenlicht steht, wird der Reitsport von verschiedenen Seiten aus kritisiert. So auch dieses Mal. Die ersten Stimmen wurden nach dem tragischen Unfall in der Geländeprüfung der Vielseitigkeitsreiter laut, nachdem das Pferd eines Schweizer Teilnehmers sich einen Bänderriss zuzog und eingeschläfert werden musste. Besonders in den sozialen Netzwerken trat das eine Welle des Hasses und der Hetze los, die man in dieser Intensität eher selten erlebt hatte. Nicht nur Reitsportgegner sondern auch Reiter untereinander gingen beinahe wahllos aufeinander los.
Nachdem sich der Rauch über dem Schlachtfeld der sozialen Medien noch nicht wieder ganz verzogen hatte, dann bereits der nächste Vorfall. Im modernen Fünfkampf war es die deutsche Athleten Annika Schleu und ihre Trainerin Kim Raisner, die für einen Aufschrei sorgten. Vollkommen aufgelöst sah man Schleu auf dem Rücken des ihr zugelosten Pferdes, welches vollkommen den Dienst quittierte. Statt in diesem Moment aufzugeben, wie wir es aus dem Reitsport kennen, wurde die Sportlerin von ihrer Trainerin noch dazu ermutigt, das Pferd mit der Gerte zu schlagen. Die Bilder wurden live in der ARD übertragen. Nach einigen Hieben und dem vollkommen ungerechtfertigten Gebrauch der Sporen lief das Pferd los, verweigerte aber schnell wieder den Dienst, wodurch die Sportlerin dann ausschied.
Sowohl im Profi- als auch im Amateurbereich kritisierte die Reitsportwelt diesen Umgang mit den Tieren und das beim Fünfkampf angewendete Verfahren scharf. Auch die Deutsche Reiterliche Vereinigung übte Kritik. Auf den Reitsport wirft das kein gutes Licht und das obwohl der Fünfkampf an sich mit den klassischen Reitsportdisziplinen nichts zu tun hat. Diese Differenzierung die jedem innerhalb der Reitsportblase klar ist, dürfte für Kritiker von außerhalb nur schwer zu ziehen sein. Aber nicht nur deshalb ist das Thema auch unbedingt für den “richtigen” Reitsport wichtig, sondern in erste Linie, weil es zeigt, dass der Umgang mit dem Pferd noch lange nicht da angekommen ist, wo er sein müsste.
Wir verlassen die Olympischen Spiele daher mit durchaus gemischten Gefühlen, die deutlich zeigen, was der Reitsport noch alles aufzuholen. Auch das geänderte Reglement der Teilnahme ohne Streichergebnis in allen Disziplinen, damit mehr Nationen teilnehmen können, ist in Frage zu stellen. Zeigte sich zum Beispiel anhand der Thailändischen Vielseitigkeitsmannschaft deutlich, dass diese ihre Pferde nicht hatten auf das erforderliche Niveau hatten bringen können. Um Bilder wie die der bereits abgekämpften Tiere am Ende der Geländestrecke, zu vermeiden, wird es wohl nochmal einer eindeutigen Überarbeitung der Voraussetzungen zur Teilnahme geben müssen.
Dennoch haben uns diese Olympischen Spiele, die aufgrund der fehlenden Zuschauer, von vornherein einen anderen Charakter hatten, auch gezeigt, welche Erfolge man erzielen kann, wenn die Chemie zwischen Pferd und Reiter stimmt. Alle deutschen Teilnehmer zeigten topfitte Pferde und fairen Reitsport. Zu welchen Ergebnissen der wahrhaft partnerschaftliche, vertrauensvolle Umgang mit den Pferden führen kann, verdeutlichten nicht zuletzt die Dressurreiterinnen als auch Julia Krajewski. Es bleibt zu hoffen, dass sich daran die Reitsportwelt erinnern wird und es zum Anlass der Nachahmung nimmt.