Die Erwartung waren enorm. Doch wie bereits beim Grand Prix Special, zeigten die deutsche Dressur-Equipe welche überragende Qualität sie im internationalen Vergleich an den Tag legen. Allen voran Jessica von Bredow-Werndl, die mit ihrer Erfolgsstute TSF Dalera BB auch Einzelgold in Tokio holte. Für von Bredow-Werndl ist es die zweite Goldmedaille nach dem Erfolg im Team bei ihren ersten Olympischen Spielen überhaupt.
Nach dem fulminanten Sieg der deutschen Mannschaft im Grand Prix, starteten heute insgesamt 18 Pferd-Reiter-Paare in die Grand Prix Kür, den Einzelwettkampf der Dressurreiter bei den Olympischen Spielen.
Als erste Reiterin betrat die Kanadierin Brittany Fraser-Beaulieu mit ihrem Pferd All In das Dressurviereck und legte eine solide Leistung mit 76,404 Prozent vor. Gleich darauf wurde sie jedoch von der Dänin Nanna Skodborg Merrald und ihrem Zack mit 80,893 Prozent übertrumpft. Mit einem bunten Pop-Potpourri erhielt der nächste Reiter, Steffen Peters für die USA, mit 80,968 Prozent nur einen Hauch mehr Punkte als die Reiterin zuvor.
Einen ganz besonderen Moment, den so wahrscheinlich nur die Olympischen Spiele hervorrufen können, erlebten die Zuschauer beim Portugiesen Rodrigo Torres, der mit seinem Schimmel Fogoso zwar keine reelle Chance auf eine Platzierung hatte (78,943 Prozent), aber dennoch Tränen der Freude über seine gelungene Kür vergoss. Den Abschluss des ersten Drittels machte der Brite Carl Hester auf En Vogue, der sich mit dem Pferd aus dem Besitz von Teamkollegin Charlotte Dujardin mit starken 81,818 Prozent auf den ersten Platz schob und während seiner Kür unter Beweis stellte, wie gutes Dressurreiten auszusehen hat.
Starkes zweites Drittel erhöhte die Spannung
Das zweite Drittel wurde eröffnet durch Beatriz Ferrer-Salat auf Eleganz mit einem Ergebnis von 77,532 Prozent, gefolgt vom Niederländer Hans Peter Minderhoud (80,682 Prozent). Als dritte Starterin ging eine der Überraschungen der Olympischen Spiele, Sabine Schut-Kery aus den USA mit ihrem Pferd Sanceo an den Start. Schut-Kery, die gebürtig aus Deutschland stammt, zeigte wieder eine beeindruckende Leistung, die mit 84,300 Prozent belohnt wurde und die Führung bedeutete. Bereits beim Grand Prix und Grand Prix Special zeigte sie sich in einer Form, die auch Experten nicht erwartet hätten.
Nicht ganz an die Leistung der US-Amerikanerin anknüpfen, konnte die Dänin Carina Cassoe Kruth mit Heiline´s Danciera (83,329 Prozent). Es folgte die Schwedin Therese Nilshagen, die vom Deutschen Klaus Balkenhol trainiert wird. Sie lieferte mit ihrem Pferd Dante Weltino OLD, der zeigte, dass in ihm noch ganz viel Potenzial steckt, eine gute Leistung ab, die mit 79,721 Prozent bewertet wurde und damit zunächst Rang Sieben bedeutete.
Sehr gleichmäßig und harmonisch zeigte sich auch ihre Landsmännin Juliette Ramel mit Buriel K.H (81,182 Prozent). Als letzte Reiterin des Mittelfeldes startete Charlotte “Lotti” Fry für Großbritannien auf Everdale. Durch eine kleine Blockade in der Hilfengebung, fiel die ansonsten gute Leistung der Britin deutlich ab. Bewertet wurde sie mit 80,614 Prozent.
Somit sah die Führung vor dem letzten Drittel wie folgt aus:
- Sabine Schut-Kery (USA) – 84,300 Prozent
- Carina Cassoe Kruth (Dänemark) – 83,329 Prozent
- Carl Hester (Großbritannien) – 81,818 Prozent
Durch die starken Leistungen des zweiten Drittels, wurden die Erwartungen die letzten sechs Starter, darunter auch die drei deutschen Teilnehmerinnen, nochmals erhöht. Die Reihenfolge der Starter der letzten Gruppe wurden ausgelost und gingen nicht nach einer erbrachten Leistung, weshalb die bislang stärkste deutsche Reiterin Jessica von Bredow-Werndl auch als erstes zu sehen sein sollte.
Mit im Stadion vor Ort, um die Deutschen Dressurreiterinnen anzufeuern, war auch Doppel-Olympiasieger der Vielseitigkeitsreiter Michael Jung. Vielleicht konnte er sich bei den Spezialistinnen noch das ein oder andere für seine Teilprüfung, die am Freitag bzw. Samstag startet, abschauen.
Kampf um Gold zwischen Bredow-Werndl und Werth
Eröffnet wurde das letzte Drittel durch die Dänin Cathrine Dufour auf Bohemian. Mit der klaren Erwartung einer Medaille ritt sie ihre Kür extrem rhythmisch zu einem Les-Miserables-Medleys. Mit 87,507 Prozent setzte Dufour den Maßstab für die folgenden Reiter nochmals hoch und setzten sich mit Abstand an die Spitze des Starterfelds.
Als erste deutsche Reiterin startete nach der Dänin dann Jessica von Bredow-Werndl, die als klare Favoritin ins Viereck ging, nachdem sie selbiges im Grand Prix als auch im Grand Prix Special als beste Reiterin verließ. “Diese Kür ist einfach wie eine Liebeserklärung von der Reiterin an ihr Pferd”, kommentierte Carsten Sostmeier, Kommentator des ZDF, den Ritt der beiden treffend. Mit 91,732 Prozent zeigte die Deutsche mit ihrer Trakehner-Stute deutlich ihre Überlegenheit gegenüber des bisherigen Starterfelds und setzte sich an die Spitze, die sie auch nicht mehr hergeben würde.
Die unglückliche Aufgabe der 35-Jährigen zu folgen hatte der Niederländer Edward Gal, der mit dem nur 9-Jährigen Totilas-Sohn Total US eine Wertung von 84,157 Prozent erhielt, die ihn letztendlich auf Platz sechs brachte.
Mit Spannung erwartet wurde der Auftritt von Isabell Werth, die durch das Mannschaftsgold am Vortag bereits ihre siebte olympische Goldmedaille holte und damit mit der bislang erfolgreichsten deutschen Olympiateilnehmer Kanutin Birgit Fischer gleich zog. Selten hat man die Rekord-Reiterin so emotional erlebt. Nach ihrer Kür strahlte sie vor Freude über die Leistung ihres Herzenspferdes Bella Rose. Die Führung konnte sie obgleich einer brillanten Leistung nicht übernehmen. Mit 89,657 Prozent reihte sich Werth hinter von Bredow-Werndl auf den zweiten Platz ein.
Als vorletzte Reiterin startete die mehrmalige Olympiasiegerin Charlotte Dujardin auf ihrem 10-Jährigen Fuchs Gio. Trotz des jungen Alters ihres Pferdes schob sich die Britin auf Platz drei mit 88,543 Prozent.
Als Schlusslicht der Kür betrat dann Dorothee Schneider mit ihrem Wallach Showtime FRH das Viereck, im Bewusstsein, dass die Plätze eins und zwei sicher in deutscher Hand liegen. Schneider zeigte mit Showtime FRH eine nochmals deutlich gesteigerte Leistung zu Grand Prix und Grand Prix Special. Mit 79,432 Prozent reichte es jedoch nicht für einen der Spitzenplätze.
Die Silbermedaille sicherte sich Isabell Werth auf Bella Rose. Gold geht an Jessica von Bredow-Werndl, für die mit dem Gewinn ein Kindheitstraum in Erfüllung geht. Ihre Freude über den Triumph zeigte sich bereits nach dem Ritt von Isabell Werth. Als für die Bayerin feststand, dass sie die Beste der Prüfung bleiben würde, traten neben einem Lächeln auch Tränen in ihre Augen. Trotz des enormen Drucks erfüllte die Favoritin ihre Aufgabe. Bei allen drei Prüfungen erbrachte sie das beste Ergebnis und wurde hierfür mit Mannschafts- und Einzelgold belohnt.