Die souveräne Leistung im Grand Prix, der Qualifikation für den Einzel- und den Mannschaftswettbewerb, hat es bereits verdeutlicht: von den Deutschen Dressurreiterinnen wird nichts weniger erwartet als die Goldmedaille. Und das hat seinen guten Grund, denn Deutschland ist nicht nur über alle Reitsportarten hinweg die erfolgreichste Nation im Reitsport bei den Olympischen Spielen – einen besonders großen Teil dieses Erfolges machten die Dressurreiter aus. Insgesamt 20 Mal Gold gewann sie seit 1912. In keiner anderen Reitsportdisziplin konnten die deutschen Reiter und Reiterinnen bislang so viele Goldmedaillen gewinnen.
Wie alles begann
1912 fanden die Olympischen Sommerspiele in Stockholm statt. Die bis dato sehr chaotischen Verhältnisse der Spiele zuvor, fanden durch die Olympiade in Schweden ein Ende. Daher beginnen heute viele Messungen mit diesen Spielen im Jahr 1912. So auch die Zählung der Olympischen Medaillen der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Auf einen Goldregen musste die deutsche Mannschaft, die damals noch für das Deutsche Reich antrat jedoch verzichten. Als beste Deutsche rangierten Fritz von Oesterley auf Concor auf Platz vier und Felix Bürkner auf seinem Pferd King auf Platz sieben. Die Plätze eins bis drei belegten allesamt die Gastgeber aus Schweden. Die Dressur an sich sah jedoch noch vollkommen anders aus als heute. Es wurde weder Piaffe noch Passage gefordert. Dafür mussten die Reiter jedoch fünf Hindernisse in Höhe von 1,10 Meter überwinden, wobei das letzte eine auf das Pferd zulaufende Walze war. Nachdem die Olympischen Spiele 1916 aufgrund des ersten Weltkrieges ausgefallen waren, mussten die deutschen Dressurreiter auch 1920 und 1924 wieder den Schweden den Vorzug geben. Erstmals 1928 in Amsterdam schaffte es die deutsche Dressur-Equipe aufs Treppchen. Gold mit der Mannschaft und im Einzelwettkampf.
Erstmals Pi, Pa und Frauen bei Olympischer Dressur
Bei den Sommerspielen in Los Angeles 1932 wurden in der Dressur erstmals Piaffe und Passage als Lektionen verlangt. Deutschland nahm nicht an den Spielen teil. Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin, unter der Nationalsozialistischen Leitung, gewann der Deutsche Heinz Pollay auf seinem Pferd Kronos, gefolgt von Friedrich Gerhard auf Absinth auf Platz zwei. Die Einzelleistungen wurden bei diesen Spielen auch für die Mannschaftswertung genutzt, weshalb Deutschland auch hier die Goldmedaille mit Hermann von Oppeln-Bronikowski auf Gimpel gelang.
Nachdem auch die Spiele 1944 und 1948 aufgrund des zweiten Weltkrieges und dessen Folgen ausgefallen waren, fanden die nächsten Olympischen Sommerspiele erst wieder 1948 in London statt. In der Dressur ging die Goldmedaille an den Schweizer Hans Moser auf Hummel. Platz zwei und drei belegten Reiter aus Frankreich und Schweden. In der Mannschaft gewann Frankreich vor den USA und Portugal. Bei den Spielen 1952, zu denen erstmals auch Frauen in Dressur-Wettbewerben zugelassen wurden, zeigte sich im Einzelwettbewerb ein ähnliches Bild wie vier Jahre zuvor. Diesmal ging die Goldmedaille an den Schweden Henri Saint Cyr auf Master Rufus, Silber gewann die Dänin Lis Hartel auf Jubilee vor André Jousseaume auf Harpagon aus Frankreich. Hartel ist somit die erste Dressurreiterin der Welt die eine Medaille bei den olympischen Spielen gewann. Die deutsche Mannschaft gewann bei den Spielen in der finnischen Hauptstadt erstmals Bronze. Wieder als Athlet dabei war der Goldmedaillensieger von 1936 Heinz Pollay, dieses mal mit dem Pferd Adular. Neben ihm im Team waren Fritz Thiedemann auf Chronist XX und Ida von Nagel, die mit dem Mannschaftserfolg als erste deutsche Dressurreiterin bei den olympischen Spielen eine Medaille gewann.
Erste Medaille für deutsche Reiterin
Die Olympiade 1956 fand für die Reiter in Schweden und nicht wie für alle anderen Athleten in Melbourne statt, da die strengen Quarantänevorgaben der Australier die Einreise für die Pferde unmöglich machte. In der Dressur wurde ausschließlich ein Grand Prix, verteilt über zwei Tage geritten, der dann das Einzel- als auch das Mannschaftsergebnis festlegte. Den ersten Platz machte wieder der Schwede Henri Saint Cyr, auf Platz landete erneut die Dänin Lis Hartel. Die olympische Bronzemedaille gewann erstmals eine Deutsche Reiterin: Leselott Linsenhoff, die Adular ritt, mit dem bereits Heinz Pollay 1952 den dritten Platz in der Mannschaft belegt hatte.
In der Mannschaft gewann die erstmals rein weibliche Equipe, bestehen aus Liselott Linsenhoff auf Adular, Anneliese Küppers auf Afrika und Hannelore Weygand auf Perkunos, die Silbermedialle. Die Entscheidungen der zwei Richter, die aus Schweden und Deutschland stammten, wurden im Nachgang jedoch hart kritisiert, da sie ihre eigenen Nationen auf die vorderen Ränge setzten. Daraus zog das Olympische Komitee für die Spiele 1960 die Konsequenz den Mannschaftswettbewerb auszusetzen und sperrte die beiden Richter. Die Spiele, die 1960 in Rom stattfanden, wurden daher einzig um die Einzelmedaille geführt. Josef Neckermann, der später für seinen Neckermann Versand bekannt wurde, gewann mit seinem Pferd Asbach die Bronzemedaille hinter Gustav Fischer aus der Schweiz und Sergei Filatow, der für die Sowjetunion antrat.
Auf Erfolgskurs und ein Boykott
Bei den ersten Olympischen Spielen in Tokio 1964 brillierte die Deutsche Mannschaft erstmals seit den Spielen 1936 in Berlin und holte im Team die Goldmedaille. Das Erfolgs-Trio damals: Harry Boldt auf Remus, Dr. Reiner Klimke auf Dux und Josef Neckermann auf Antoinette. Boldt gewann zudem Silber in der Einzelwertung. Die Erfolgssträhne setzte sich auch 1968 in Mexiko-Stadt durch: Gold in der Mannschaft für Liselott Linsenhoff mit Piaff, Dr. Reiner Klimke wieder mit Dux und Josef Neckermann mit Mariano. In der Einzelwertung belegten Josef Neckermann Platz zwei und Dr. Reiner Klimke Platz drei. Linsenhoff, die 1968 noch keine Einzelmedaille gewinnen konnte, holte ihre Chance 1972 in München nach. Einzelgold für die gebürtige Frankfurterin und ihr Pferd Piaff. Auch der dritte Platz wurde durch einen Deutschen belegt. Wiederum war es Josef Neckermann der die Bronzemedaille gewann. In der Mannschaft gewannen Linsenhoff, Neckermann und Karin Schlüter die Silbermedaille.
Knapp verpasste Harry Boldt, der 1976 wieder für Deutschland an den Start ging, die Goldmedaille und wurde in der Einzelwertung Zweiter. Dicht gefolgt von Dr. Reiner Klimke mit seinem Mehmed auf Platz Drei. In der Mannschaft gewannen sie aber erneut die Goldmedaille. Neben Boldt und Klimke ging Gabriela Grillo auf Ultimo an den Start. Die Olympischen Spiele 1980 fanden in Moskau statt. Im Rahmen des CHIO Aachen kamen die dort vertreten Dressurreiter, -richter und -trainer zusammen und vertraten einstimmig die Meinung, dass eine Teilnahme in Moskau unter den damals gegebenen politischen Umständen nicht in Betracht käme. Daher nahmen keine deutschen Dressurreiter an den Spielen teil.
Von nun an auf Goldkurs
Bei den Spielen 1984 kam es dann zu einem der unvergessenen Auftritt der olympischen Geschichte: Mit seinem Ritt, der Maßstäbe für die Dressurwelt legte, gewann Dr. Reiner Klimke mit seinem Pferd Ahlerich die Goldmedaille im Einzelwettbewerb.
Neben der Goldmedaille im Einzelwettbewerb gewann die Deutsche Mannschaft auch Mannschaftsgold im Team mit Dr. Reiner Klimke, Herbert Krug und Uwe Sauer.
Ihren Erfolg mit Doppelgold wiederholte die Deutsche Mannschaft auch 1988. Im Team ritten neben Olympiasieger Klimke auch Ann Kathrin Linsenhoff, die Tochter von Liselott, Monica Theodorescu, die heute die Bundestrainerin der Dressurreiter ist, und Nicole Uphoff. Mit ihrem Erfolgspferd Rembrandt gelang Uphoff auch in der Einzelwertung der Sprung auf Platz eins.
Dreifach Gold im Einzel
Doppelgold in zwei aufeinanderfolgenden olympischen Spielen sollte den deutschen Dressurreitern jedoch nicht genügen. Bei den olympischen Spielen 1992 in Barcelona gelang ihnen, wovon keiner zu Träumen gewagt hätte. Gold, Silber und Bronze in der Einzelwertung gingen an die Deutschen. Wieder holte sich Nicole Uphoff auf Rembrandt die Einzelgoldmedialle, Rekordreiterin Isabell Werth bestritt ihre erste Olympiade und gewann mit Gigolo FRH Silber, gefolgt von Klaus Balkenhol mit Goldstern auf dem dritten Platz. Auch ihren Platz an der Spitze in der Mannschaftswertung verteidigte Deutschland: Gold für Balkenhol, Theodorescu, Uphoff und Werth.
Im Jahr 1996 in Atlanta startete dann Isabell Werth durch. Mit Gigolo FRH, der aus dem Stall ihres damaligen Mentors Dr. Schulten-Baumer, dem “Doktor”, stammte, wurde sie gleich Doppel-Olympiasiegerin. Im Team gewann sie die Spiele in der Dressur zusammen mit ihren Teamkollegen aus dem Jahre 1992 Klaus Balkenhol und Monica Theodorescu. Neu mit ihm Team war Martin Schaudt.
Ein gänzlich anderes Team formte sich im Jahr 2000 um Isabell Werth. Das Ergebnis blieb jedoch das gleiche: Gold in der Mannschaft für das Deutsche Team, bestehend aus Isabell Werth, Nadine Capellmann, Ulla Salzgeber und Alexandra Simons. In der Einzelwertung musste sich Wert ihrer damals schärfsten Konkurrentin Anky van Grunsven aus den Niederlanden geschlagen geben und belegte Platz zwei. Auf Platz drei landete Ulla Salzgeber mit ihrem Pferd Rusty.
Auch 2004 in Athen gewann die Niederländerin Anky van Grunsven. Werth trat bei diesen Spielen jedoch nicht an. Olympisches Silber gewann dieses Mal Ulla Salzgeber. In der Mannschaftswertung glänzte Deutschland jedoch wieder und gewann mit Heike Kemmer auf Bonaparte, Ulla Salzgeber auf Rusty, Martin Schaudt auf Weltall und Hubertus Schmidt auf Wansuela Suerte bereits zum elften Mal die Goldmedaille als Team. Mit 78,208 % im Grand Prix erreichte Ulla Salzgeber die bis dahin höchste Wertnote bei den Olympischen Spielen jemals.
Erfolg und Niederlage
Bei den in Peking stattfindenden Olympischen Spiele 2008 konnte die Deutsche Mannschaft ihre langjährige Führung in der Mannschaft erneut unter Beweis stellen. Heike Kemmer, Nadine Capellmann und Isabell Werth gewannen die Goldmedaille. In Erinnerung der Spiele 2008 blieb jedoch vor allem der Moment indem Satchmo, dass Pferd von Isabell Werth während der Kür unvermittelt ausstieg. Später fand ein Spezialist auf vehementen Druck von Werth heraus, dass Satchmo an einer seltenen Augenkrankheit litt und daher wahrlich “Geister” während der Prüfung im Dressurviereck sah. Trotz dieses Vorfalls gewannen die beiden die Silbermedaille.
2012 in London dann die Spiele, die die deutsche Vorherrschaft in der Mannschaftswertung vorerst beendeten. Die Briten zeigten sich vor heimischen Publikum mit Glanzleistungen und so musste sich das Team, bestehend aus Helen Langehanenberg, Kristina Sprehe und Dorothee Schneider mit einem zweiten Platz in der Mannschaft zufrieden geben. In der Einzelwertung wurde Helen Langehanenberg auf dem vierten Platz beste Deutsche.
Angespornt von den durchwachsenen Ergebnissen aus London, zeigte die deutsche Dressurelite 2016 in Rio erneut ihr Können. Mit Isabell Wert auf Weihegold OLD, Kristina Bröring-Sprehe auf Desperados FRH, Dorothee Schneider auf Showtime FRH und Sönke Rothenberger auf Cosmos gewann das Deutsche Team mit einer starken Leistung von über 3% Vorsprung vor den Briten auf Platz zwei. In der Einzelwertung siegte jedoch Charlotte Dujardin auf Valegro vor Isabell Werth (Platz zwei) und Kristina Bröring-Sprehe auf Platz drei. Dorothee Schneider und Showtime FRH belegten in der Einzelwertung Platz fünf.
Team Dressur auf Gold-Kurs
Jessica von Bredow-Werndl, die als neues Teammitglied bei den Spielen 2021 in Tokio dabei ist, sagte bereits vor Abflug nach Japan: “Als Mannschaft wird von uns Gold erwartet”. Der langen Tradition der deutschen Dressur-Equipe folgend kann man dem kaum widersprechen. Deutschland gilt als einer der Favoriten. Mit Ausnahme des Jahres 2012 gewann Deutschland seit 1984 immer die Goldmedaille in der Mannschaftswertung. Ob es unseren Reiterinnen auch dieses Mal gelingt die Führung zu behalten, bleibt abzuwarten.
Mit ihren Ergebnissen im Grand Prix, der als Qualifikation für die Mannschafts- und Einzelprüfung stattfand, zeigten sie bereits deutlich ihre Qualität. Hier lieferten Jessica von Bredow-Werndl mit ihrer Stute TSF Dalera BB bereits eine beeindruckende Leistung mit 84,379 Prozent ab, gefolgt von Isabell Werth mit Bella Rose (82,500 Prozent). Mit 78,820 Prozent gewann auch Dorothee Schneider ihre Gruppe in der Qualifikation und lieferte das fünftbeste Ergebnis ab. Ob sich die deutsche Mannschaft auch im Grand Prix Special, der Mannschaftsprüfung von dieser starken Seite zeigen kann, wird sich am heutigen Tag zeigen. Aber eins steht ganz klar fest: Das Dressurteam ist in Gold-Form.