Nachhaltigkeit ist etwas, das alle betrifft und auf alle Lebensbereiche zutrifft – auch den Reitsport. Langsam aber sicher findet das Thema auch im Reitsport anklang. Immer mehr Firmen legen Wert auf nachhaltige, ressourcenschonende Produktion. Ein Pionier im Bereich nachhaltiger Reitsport-Textilien ist das Familien-Start-Up Royal Horsemen. Wir haben mit Robin Schuster, dem Geschäftsführer und seiner Schwester Julia Schuster, die sich um die Bereiche Marketing und Produktentwicklung kümmert, gesprochen.
„Für viele Leute endet Nachhaltigkeit mit den verwendeten Materialien oder den Produktionsstandorten“
Wie seid ihr dazu gekommen das Start Up Royal Horsemen zu gründen?
Robin: Im Grunde entstand die Idee aus zwei Gründen: Zum einen durch das Influencer-Dasein unserer Schwester Marina mit ihrem Kanal Marina und die Ponys auf YouTube und Instagram. Durch sie gab es bereits eine gewisse Reichweite und eine entsprechende Community. Zum anderen haben wir als Familie versucht, uns ein bisschen bewusster zu ernähren und nachhaltiger zu leben. Im Bereich Reitsport gab es diesen Denkansatz damals noch gar nicht. Marina und Julia hatten sich nach nachhaltiger Reitsportmode umgesehen und festgestellt, dass es niemanden gab, der sich mit fair produzierten, nachhaltigen Reittexillien beschäftigte. Da liegt der Ursprung unserer Idee, die wir dann Schritt für Schritt umgesetzt haben.
Nachhaltigkeit ist ein wirklich komplexes Thema. Was waren die größten Hürden beim Aufbau des Unternehmens und der ersten Produktion?
Robin: Für viele Leute endet Nachhaltigkeit mit den verwendeten Materialien oder den Produktionsstandorten. Aber da steckt natürlich noch viel mehr hinter. Natürlich spielen die Materialien eine große Rolle. Aber Nachhaltigkeit geht noch viel tiefer. Zum Beispiel spielen auch Verarbeitungsprozesse, welche Chemikalien zum Färben verwendet werden, wie genutztes Wasser aufbereitet wird oder wie die Transportwege aussehen, eine große Rolle. Das Thema Nachhaltigkeit ist einfach außerordentlich komplex.
Bei uns in der Familie hat niemand etwas mit der Textilbranche zu tun gehabt. Auch im Freundes- oder Bekanntenkreis gab es niemanden der damit schon Erfahrungen gemacht hat. Daher standen wir am Anfang mit unserer Idee im Kopf da, wie etwas aussehen sollte. Wir konnten nur mit Stift und Papier laienhaft skizzieren, was wir wollten. Das war es dann aber auch schon. Und das war für den Start auch die größte Hürde. Denn dadurch war es nicht so leicht einen zuverlässigen Partner zu finden, der unsere Idee, auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit, umsetzen konnte.
Was bedeutet denn Nachhaltigkeit überhaupt in euren Augen?
Robin: Wir sehen das Thema sehr ganzheitlich und versuchen das auch bei unseren Produkten umzusetzen. Das heißt, dass wir möglichst alle Gesichtspunkte abdecken wollen. Wir wissen, dass wir noch weit weg von Perfekt sind. Uns geht es aber auch gar nicht darum von heute auf morgen zu 100 Prozent nachhaltig zu sein. Das ist in unseren Augen auch gar nicht möglich, da es an so vielen Kleinigkeiten hängt. Oftmals zeigt sich auch erst mit der Zeit und gesammelter Erfahrung, ob etwas wirklich so nachhaltig ist, wie man zuerst annimmt. Ein Stichwort an dieser Stelle ist sicherlich recyceltes Polyester im Vergleich zu herkömmlichen Polyester. Natürlich ist die Herstellung von herkömmlichem Polyester durch die Verwendung von Erdöl nicht gerade schön, aber durch seine Co2-Bilanz ist die Herstellung von recyceltem Polyester oft nicht besser. Da muss man wirklich genau auf die Produktionskette und das Verfahren selbst achten.. Für uns ist daher wichtig uns auch die Herstellungskette der verwendeten Materialien genau anzuschauen. Darüber Hinaus sind für uns die verwendeten Chemikalien, die internen Produktionsprozesse, wie Wasseraufbereitung oder verwendete Energien auch wichtige Faktoren.
Julia: Wir achten zudem auch auf faire Löhne und Arbeitsbedingungen. Das zählt für uns einfach zur Nachhaltigkeit dazu. Genauso wie ein soziales Engagement. Wir unterstützen alle sechs Monate ein anderes gemeinnütziges Projekt. Zum Beispiel haben wir die Bienenretter und eine maritime Müllabfuhr, die die Meere vom Müll befreit, unterstützt. Jetzt momentan helfen wir einem Reitverein, der sehr unter der Corona-Pandemie gelitten hat. Zudem haben wir zwei Schlachtfohlen gerettet. Für uns ist es wichtig, auch immer etwas zurückzugeben.
Die Materialien sind wirklich das erste was einem in den Sinn kommt, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Welche verwendet ihr?
Julia: Wir haben Oberbekleidung aus GOTS-zertifizierter Bio-Baumwolle. Durch die Zertifizierung wird sichergestellt, dass das Material auch wirklich ohne schädliche Chemikalien hergestellt wurde. Daneben haben wir auch jetzt neu Poloshirts aus einem Stoff namens Modal. Das ist ein Stoff aus Baumfasern. Es gibt einige Verfahren die Zellulosefasern so aufbereiten, dass letztendlich schädliche Chemikalien auf der Haut verbleiben können. Das ist bei der Herstellung von Modal anders. Bei uns kommt der Stoff von der Firma Tencel. Die Herstellung bei Tencel findet in einem Kreislaufsystem statt. Modal ist derzeit einer der nachhaltigsten Stoffe, die man finden kann. Bei den Reiterleggings sind wir derzeit noch bei herkömmlichen Polyester, weil recyceltes Polyester wie bereits erwähnt nicht zwingend nachhaltiger ist. Wir sind hier immer auf der Suche nach anderen Materialien, aber das gestaltet sich aufgrund der Anforderungen, die eine Reiterleggings mit sich bringt, schwierig. Eine Reiterleggings muss viel mehr aushalten als ein Oberteil. Wir haben schon mal probiert mit Hanf einen geeigneten Stoff herzustellen. Ein häufiges Problem ist aber, dass die Reiterleggings dann zu schnell reißt. Das ist dann auch nicht nachhaltig. Wir bleiben aber dran und suchen nach einer besseren Lösung. Unser Traum wäre ein biologisch-abbaubarer Stoff, den wir für die Reiterleggings verwenden können und der sich nach seiner Gebrauchszeit dann versetzt. Dadurch würde dann ein Kreislauf gebildet, der natürlich, was die Nachhaltigkeit angeht, super cool ist.
„Aber tatsächlich ist es so, dass man in der Modeindustrie überall in der Welt schwarze Schafe haben kann.“
Kommen wir mal zur Produktion, nachdem wir die schon mehrfach angesprochen haben. Wo produziert ihr?
Julia: Wir produzieren zum Teil in der EU, zum Teil in China. Zum Beispiel unsere Reiterleggings werden in China, in einem sehr hochwertigen Produktionsstandort hergestellt. Man denkt immer direkt an etwas schlechtes bei der Produktion in China. Aber tatsächlich ist es so, dass man in der Modeindustrie überall in der Welt schwarze Schafe haben kann. Bei uns wird der Produktionsstandort regelmäßig besichtigt. Es ist ein sehr modernes Werk, dort haben die Mitarbeiter sogar Kletterwände für die Pausengestaltung. Dazu kommt, dass die Textilindustrie in China, besonders bei der Herstellung von Sportartikeln, deutlich fortschrittlicher ist, als wir in Europa. Aber unsere Oberbekleidung lassen wir in der EU produzieren. Wo wir produzieren lassen, hängt immer ganz vom Produkt ab.
Wie sieht das mit den Lieferketten aus?
Robin: Für uns ist wichtig, dass der Stoffproduzent in der Nähe des Konfektionierers sitzt. Wir werden oft gefragt, warum wir nicht in Deutschland produzieren. Das ist immer sehr leicht gesagt, aber nicht getan. Denn es gibt im Vergleich zu anderen Ländern in Deutschland kaum noch Textilproduzenten. Auch die Qualität, die die Asiaten bieten, finden wir in Deutschland kaum. Daran sind wir durch jahrelanges Outsourcing aus Kostengründen jedoch selber Schuld. Das wir nicht in Deutschland produzieren, hat natürlich auch mit den Kosten zu tun. Würden wir das machen, sähen die Produktionskosten nochmal ganz anders aus. Da stellt sich dann die Frage, ob so ein Produkt, wenn man es zu der Qualität in Deutschland überhaupt produzieren lassen könnte, zum entsprechenden Preis gekauft werden würde. Unserer Erfahrung nach sind die Kunden nicht bereit dafür nochmal 30-40 Prozent Aufpreis zu unseren jetzigen Preisen zu zahlen. Ein weiterer Punkt ist die Verfügbarkeit von Rohstoffen. Die müssten nämlich oftmals erst nach Deutschland geschifft werden, da es sie hier gar nicht gibt. Daher achten wir sehr darauf, dass der Konfektionierer nicht weit entfernt vom Stoffproduzenten liegt. Zum Beispiel wird viel Bio-Baumwolle in der Türkei angebaut und unsere Oberbekleidung aus diesem Material auch in der EU gefertigt. Polyester hingegen findet man hauptsächlich in China. Für uns ist wichtig, kurze Wege zu schaffen, so dass man nicht von einem Ende des Kontinents zum Anderen muss, um etwas produzieren zu lassen. Das ist uns bislang auch immer gut gelungen.
Wie war es als ihr mit eurer Idee auf den Markt gegangen seid? Damals gab es noch keine etablierte, nachhaltige Reitsportmode im Markt. Wie wurde das angenommen?
Robin: Ich bin davon überzeugt, dass wir durch Marinas Reichweite einen wesentlich leichteren Start hatten, als jemand der diesen “Marina-Faktor” nicht hat. Dadurch ist uns der Start einfacher gefallen. Man merkt in der Reitsport-Branche, dass es die eingespielten Player gibt, die seit Jahrzehnten existieren. Dagegen anzukommen ist nicht immer ganz leicht. Zu Beginn gab es aber zum Beispiel auch einige Leute, die sich noch nicht so viel unter der Reitleggings vorstellen konnten, die ja unser Hauptprodukt ist. Einfach weil das Thema Reitleggings damals noch nicht so im Markt angekommen war. Da waren Reithosen noch etablierter oder die Leute waren von der Qualität einer Leggings noch nicht so überzeugt. Das war anfangs ein größeres Thema, dass sich bis heute nicht ganz, aber beinahe gelegt hat. Mittlerweile boomt das Thema Reiterleggings, aber es gibt immer noch Skeptiker. Wir merken es immer wieder auf Messen oder Andernorts, wenn wir das Produkt den Kunden persönlich zeigen können. Bestimmt 80 Prozent revidieren dann nochmal ihre Meinung und merken, dass sie zu voreingenommen waren.
„Das Thema ist momentan definitiv mehr am kommen – zum Glück.“
Wie nehmt ihr die Entwicklung des Themas Nachhaltigkeit im Reitsport wahr?
Julia: Ja, wir merken, dass sich da definitiv was tut. Man weiß natürlich nicht, ob das Thema so oder so gekommen wäre, oder ob wir da vielleicht ein wenig Einfluss hatten. Viele etablierte Firmen produzieren jetzt auch einzelne nachhaltige Produktlinien und gehen auch grundsätzlich mehr auf Themen wie Produktionsstandort oder Arbeitsbedingungen ein. Von meinem Gefühl her gibt es einige junge Start Ups die sich mit dem Thema beschäftigen, aber auch einige bereits lange am Markt verankerte Firmen, die umsteigen oder mehr auf das Thema achten. Das Thema ist momentan definitiv mehr am kommen – zum Glück.
Findet ihr das der Reitsport beim Thema Nachhaltigkeit ein bisschen hinterher ist, da das Thema ja bereits in vielen anderen Bereichen schon viel länger bestand hat?
Julia: Ich finde das ist allgemein in der Modebranche so. Denn wenn man Fast Fashion hört, dann will das keiner. Wenn man dann mal sieht, wie konsumiert wird, ist das anders. Ob das nun nur im Reitsport so ist, kann ich nicht sagen. Aber natürlich ist der Reitsport sehr traditionell. Man shoppt hier einfach gerne. Sicherlich hängen wir im Reitsport noch ein wenig hinterher im Vergleich zu anderen Branchen. Aber allgemein ist der Bereich Fashion noch deutlich optimierungsbedürftig, weil es noch zu viel Fast Fashion gibt.
Robin: Viele Leute verbinden mit Begriffen wie Nachhaltigkeit oder Bio direkt ein Gefühl von nicht angenehm zu tragender oder unansehnlicher Kleidung. Das ist aber definitiv ein Punkt der sich gerade wandelt. Denn nicht nur weil ein Material öko, nachhaltig oder bio ist, muss er trist, langweilig oder unbequem sein.
Nachhaltigkeit wird häufig auch mit teuer oder teurer gleichgesetzt. Könnt ihr das auch bestätigen?
Julia: Es kommen schon mal die Fragen, warum ein Produkt diesen Preis hat. Aber letztendlich ist es für uns wichtig, dass auch die Mitarbeiter in der Produktion fair bezahlt werden und das geht nicht, wenn man ein T-Shirt für 5 Euro anbietet. tatsächlich kommt die Frage nach dem Preis aber häufiger von jüngeren Leuten, denen das Thema vielleicht auch noch nicht so präsent ist. Sobald man es erklärt, wird es dann auch sehr schnell verstanden, was total super ist..
Letztendlich produziert ihr Konsumgüter. Wie passt das mit dem Aspekt der Nachhaltigkeit zusammen?
Julia: Für uns ist es wichtiger, dass die Produkte lange halten und getragen werden, als mehr zu verkaufen. Ich will einfach kein Produkt verkaufen, was schnell kaputt geht oder nicht mehr im Trend ist, damit es dann ersetzt werden muss. Wir bieten deshalb vor allem Standardfarben und eine sehr gute Qualität an. Das sind Farben die man jahrelang tragen kann. Dieses Frühjahr haben wir auch mal ein paar trendige Farben, da die Nachfrage der Kunden danach sehr hoch war.. Falls eine Farbe mal nicht so gut ankommt, bleibt sie trotzdem so lange im Shop bis sie ausverkauft ist. Kollektionsdenken ist uns da nicht wichtig.
Was wünscht ihr euch, was sich in Zukunft im Bereich Nachhaltigkeit im Reitsport verändert?
Julia: Allgemein wünsche ich mir, dass sich noch viel mehr Unternehmen und Kunden dem Thema widmen. Wenn wir alleine das Thema Verpackungen nehmen. Wenn ich sehe wie manche Pakete doppelt und dreifach in Plastik verpackt sind, finde ich das persönlich total unnötig. Wir verpacken plastikfrei und versuchen möglichst wenig Verpackung zu nutzen. Unsere Vision ist es, das Thema Nachhaltigkeit im Reitsport zu etablieren.
Robin: Uns geht es dabei nicht darum, dass jeder alles von heute auf morgen umstellen soll. Sondern, dass jedes kleine Schrittchen zählt und ein Schritt in die richtige Richtung ist.
Wie ihr schon erwähnt habt, machen auch die großen Firmen im Reitsport immer mehr im Bereich Nachhaltigkeit. Was macht Royal Horsemen einzigartig?
Julia: Ich denke allem voran die persönliche Komponente und dass wir sehr transparent sind. Wir sagen offen, dass wir nicht perfekt sind. Aber wir wollen uns stets verbessern. Wir zeigen uns sehr viel in den sozialen Medien und zeigen transparent was wir machen. Dazu kommt vielleicht auch noch der familiäre Aspekt und unser Miteinander.
Robin: Wir nehmen unsere Community zu fast allem mit und lassen sie auch mitbestimmen, zum Beispiel welche Farben ihnen besser gefallen. Darüber hinaus beantworten wir fast alle Nachrichten und Kommentare, egal ob über die sozialen Medien oder per Email. Wir bekommen immer wieder das Feedback der Kunden, dass wir uns unseren Kundenservice groß auf die Fahne schreiben können, weil wir in 99 Prozent aller Fälle innerhalb von 24 Stunden auf jede Nachricht antworten. Ich denke das ist etwas, das uns deutlich vom Wettbewerb abhebt.
Habt ihr vielleicht einen kleinen Hinweis worauf sich eure Kunden in Zukunft freuen dürfen?
Julia: Da sind wir sehr geheimnisvoll. Es gab die ein oder andere Abstimmung auf Instagram, die vielleicht schon mal etwas angedeutet hat. Aber als junges Start Up ist es uns wichtig zu warten, bis wir ein Produkt wirklich in Händen halten, bevor wir zu viel verraten. Selbst wenn wir eine gute Idee haben, dann gibt es immer Faktoren, die es verhindern können. Da wollen wir nichts versprechen, was wir nicht halten können.
Robin: Was wir verraten können ist, dass es ein paar sehr coole Produkte in der Pipeline gibt.
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