Wenn sich deine Stute von heute auf morgen vollkommen verändert, dann weißt du es ist mal wieder soweit: die Rosse naht. Doch was kann man in diesem Moment eigentlich tun?
Ich erinnere mich noch gut. Verwundert stand ich im Stall und starrte meine Jährlingsstute mit weit aufgerissenen Augen an. Tags zuvor war sie noch unheimlich verkuschelt gewesen. Jetzt lief sie unruhig von A nach B. Mein Versuch in ihre Nähe zu kommen wurde mit angelegten Ohren quittiert. Da mich das nicht abhielt, legte sie noch eine Schippe drauf und stieg. Vollkommen überrascht blieb ich stehen. “Sowas hat sie ja noch nie gemacht” schoss es mir durch den Kopf. Nachdem ich ein paar Minuten gewartet hatte, kam sie dann doch zu mir und lies sich, wenn auch ohne die übliche Begeisterung, überall anfassen. Schmerzen schien sie keine zu haben, die schlechte Laune aber stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Nachdem ich sie einige Zeit beobachtet hatte, fuhr ich zwar beruhigt aber immer noch etwas überrascht nach Hause. Dort berichtete ich, dass “die Kleine heute total bescheuert” gewesen sei und mich angestiegen wäre. Des Rätsels Lösung zeigte sich dann am nächsten Tag: Meine Jährlingsstute war das erste Mal rossig – die schlechte Laune des Vortages scheinbar ein Vorbote. Das Brett vor meinem Kopf hätte wohl gar nicht größer sein können. Ich fühlte mich wie eine Rabenmutter, hatte ich doch auch noch über ihr Verhalten geschimpft.
Wesensveränderung – zum Guten oder Schlechten
Genauso unterschiedlich wir Frauen auf unseren Zyklus reagieren, genauso tun es auch unsere Stuten. So mutiert die Eine zur Furie, die Nächste wird ganz anhänglich, brav und rittig und wiederum andere Stuten lassen sich die Rosse überhaupt nicht anmerken.
Die Rosse, dass das ist das was im allgemeinen den Fruchtbarkeitszyklus der Stute nennen könnte. In der Regel werden Stuten mit etwa 18 Monaten das erste Mal rossig. Es kann jedoch auch schon einmal deutlich früher (wie bei meiner Stute) dazu kommen oder auch ein wenig auf sich warten lassen. Zuchtreif sind Stuten je nach Rasse und jeweiliger Entwicklung aber erst viel später. In der Regel geht man hier von einem Mindestalter von 3 Jahren aus.
Die Fortpflanzungsaison beginnt in der Regel im Frühjahr. So kommen die Fohlen im Frühjahr und Sommer des Folgejahres. Daran angepasst reicht die Zuchtsaison von März bis September. Das es überhaupt eine Zuchtsaison gibt, hat damit zu tun, dass bei den meisten Stuten im Winter über mehrere Wochen hinweg der Zyklus aussetzt. Diese Phase nennt sich Zyklusruhe. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. So kommt es vor, dass Stuten auch über diesen Zeitraum hinweg einen Eisprung haben. In der Regel zeigen sie dann aber keine Rossesymptome.
Symptome – Rosse erkennen
Eine rossige Stute zu erkennen, kann einfach aber auch unmöglich sein. Es kommt darauf an, wie ausgeprägt die Stute Rossesymptome zeigt. Die häufigsten Symptome sind das heben und zu Seite legen des Schweifes, Stehenbleiben mit gespreizten Hinterbeinen, vermehrter Urinabsatz bzw. Absetzten eines schleimigen Ausflusses und auch das Bitzen (Blinken), bei dem die Stute die Scharmlippen hintereinander spreizt und wieder schließt.
Das Rosseverhalten, die -dauer und den -turnus der eigenen Stute zu beobachten und sich mit dem Thema auseinanderzusetzen ist vor allem für die Zucht wichtig. Aber auch um gesundheitliche Probleme frühzeitig zu erkennen, macht es Sinn sich ausführlich mit dem Thema Rosse zu beschäftigen.
Der Zyklus des Pferdes dauert in der Regel ca. 21 Tage. Dabei unterscheidet man zwei Phasen: die Östrus- und die Diöstrusphase. Der Östrus ist die rund sieben tägige Phase, die wir als Follikelphase oder auch Rosse bezeichnen. Während dieser Phase reifen in Eierstockfollikeln Einzellen an. Der Eisprung folgt dann meist am vorletzten oder letzten Tag der Rosse.
Die Phase des Diöstrus dauert in der Regel etwa 14 Tage. Hierbei entstehen aus umgebildeten Follikelzellen der Gelbkörper. Dieser Gelbkörper produziert das Hormon Progesteron, dass bei einer Befruchtung die weitere Reifung von Eizellen und den Eisprung verhindert. Gleichzeitig sorgt das Hormon dafür, dass die Gebärmutterschleimhaut für die Einnistung des Embryos vorbereitet wird. Hat keine Befruchtung stattgefunden, sorgt das Hormon Prostaglandin dafür, dass sich der Gelbkörper am 14. Tag nach dem Eisprung auflöst.
Für die Zucht wichtig
Beobachtet man seine Stute fortlaufend kann man meist gut erkennen, wann sie sich in welcher Phase befindet. Für die Zucht hat dies klare Vorteile, denn das Zeitfenster dass zur Besamung offen steht, ist meist nicht sehr groß. Hierbei lassen sich je nach Art jedoch deutliche Unterschiede festhalten:
Frischsamen: 36 Stunden vor dem Eisprung bis 12 Stunden nach dem Eisprung
Versandsperma: 24 Stunden vor dem Eisprung bis 12 Stunden nach dem Eisprung
Tiefgefriersperma: 12 Stunden vor dem Eisprung bis 6 Stunden nach dem Eisprung
Bei manchen Stuten ist die Rosse kaum sichtbar und nur schwer einzusschätzen. Dann kann es sinnvoll sein, den Zeitpunkt des Eisprungs durch ein “Anspritzen” des Tierarztes zu terminieren. Beim “Anspritzen” verabreicht der Tierarzt Hormone, die den Eisprung auslösen.

Nicht nur für die Zucht wichtig
Zu wissen wann, wie lange und wie oft die eigene Stute rossig wird, ist aber nicht nur für die Zucht wichtig, sondern kann auch ganz entscheidend dazu beitragen Krankheiten möglichst frühzeitig aufzudecken. Ist die Stute zum Beispiel Dauerrossig und vom Verhalten her kaum zu ertragen, sind häufig Eierstocktumore oder -zysten die Auslöser. Diese verändern den gesamten Hormonhaushalt des Tieres, da sie selber auch Hormone ausschütten. Diese Hormone sind männlicher Natur, weshalb diese Stuten sich auffällig aggressiv und hengstig verhalten.
Unterdrücken der Rosse schwierig
Bei dauerrossigen Stuten, bei denen sich auch nach einer eingehenden Untersuchung durch den Tierarzt keine Ursache für den anhaltenden Zustand finden lässt, kann eine Hormontherapie helfen die Rosse zu unterdrücken.
Ist die Stute kerngesund und rosst im normalen Zyklus, kann es trotzdem dazu kommen, dass man den Wunsch hegt, die Rosse zu unterdrücken. Dies ist immer dann der Fall wenn das eigene Pferd zur Furie wird, sich nicht reiten lässt und während der akuten Phase des Zyklus anstrengend im Umgang wird.
Zu den häufigsten Möglichkeiten die Rosse zu unterdrücken zählt die orale Verabreichung des Wirkstoffs Altrenogest, die jedoch auf nationaler Ebene nicht zugelassen ist. Auf internationalen Turnieren kann die Verabreichung gemeldet werden und darf damit starten. Eine Alternative bietet der Wirkstoff Progesteron, welches in den Muskel injiziert wird. Ein Aussetzen der Rosse über einen längeren Zeitraum hinweg erreicht man durch die Immunisierung, auch chemische Kastration, genannt. Insgesamt sind diese Mittel jedoch mit vorsicht zu genießen, denn immer wieder hat der Eingriff durch einen der genannten Wirkstoffe Folgen. So kann der Hormonhaushalt der Stute langfristig aus dem Gleichgewicht geraten oder die Rosse auch vollständig ausfallen.
Alternativ sollen daher homöopathische Mittel und die Natur helfen. Schwarzes Bilsenkraut oder auch Mönchspfeffer sollen dabei helfen die Rosse des Pferdes zu unterdrücken. Auch wenn diese Möglichkeiten lange bekannt sind, wurden die tatsächlichen Ergebnisse bislang noch nicht untersucht.
Glaskugeln gegen die Rosse?
Eine weitere Behandlungsmöglichkeit, die die Geister scheidet, ist die durch sogenannte intrauterine Einlagen (Einlagen in der Gebärmutter). Dabei platziert der Tierarzt eine Glaskugel in der Gebärmutter, die dafür sorgen soll dem Körper eine frühe Trächtigkeit vorzutäuschen und somit eine erneute Rosse verhindert wird. Diese Methode ist in Deutschland bislang noch relativ wenig erforscht und es gibt nicht viele Tierärzte, die sich mit dieser Methode auskennen. Zudem besteht das Risiko einer Infektion oder Irritation der Gebärmutter.
Der schwierige Umgang einiger Stute während der Rosse hat lange dazu beigetragen, dass Stuten im Sport weniger beliebt sind als ihre männlichen Vertreter. In den letzten Jahren zeigt sich hier jedoch ein Umdenken, denn es hat sich gezeigt, dass gerade stark trainierte Stuten nicht rossig werden, da der Körper die benötigte Energie für den Bereich des Trainings aufspart. Somit ist bei vielen Stuten tatsächlich Sport die natürlichste Lösung um die Rosse zu unterdrücken.
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