Ein privater Erfahrungsbericht von Elena Gilg
Als wir – genauer: mein Mann und ich, unsere beiden Katzenkids und mein Dressurpferd Domingo – uns Anfang 2018 dazu entschlossen, für unbestimmte Zeit unsere Zelte in München abzubrechen und nach Seattle, Washington (USA), zu ziehen, war klar, dass wir das als Familie tun werden – mit Katzen, mit Domingo, mit Sack und Pack, Möbeln und gesamten Hausstand.
Katzen fliegen mit ihren Besitzern, kein Problem.
Aber wie zieht man als Privatperson eigentlich mit einem Pferd an’s andere Ende der Welt?
Hinflug, München – Seattle
Notwendige Vorkehrungen vorab
Ich bin ehrlich, da die Idee des Umzugs initial vom Arbeitgeber meines Mannes ausging, überließ ich ihm viel der Recherchearbeit (wie, wann, wer, wo), wir hatten das Arrangement “er liefert die Optionen, ich entscheide, was ich für mein Pferd wählen möchte” – das betrifft konkret die Recherche nach geeigneten Transporteuren, Quarantäne-Plänen für Domingo, Flug-Optionen für Pferde-Transporte, Start- und Zielflughäfen, etc.
Im Vorfeld gilt es für den Besitzer aber erstmal medizinisch einige Dinge zu klären:
Alle Impfungen (Influenza, Herpes, Tetanus) müssen zwingend auf dem neuesten Stand sein. Das Pferd muss darüber hinaus vollständig gesund sein hinsichtlich jeglicher ansteckender Krankheiten, was von einem Amtstierarzt bestätigt werden muss, um die notwendigen Ausfuhr-Papiere zu erhalte.
Zudem muss als Sonderimpfung eine Immunisierung gegen Tollwut (rabies) gewährleistet werden.
Neben den veterinärmedizinischen Anforderungen war natürlich zudem die finale Unterbringung in den USA für Domingo zu klären.
In unserem Fall hat das ein Touring der Ställe in Seattle bedeutet, da ich vor Ort in persona sehen wollte, wo mein Pferd Domingo in Zukunft leben wird, wie die Futter-Bedingungen sind, ob und welche Vorkehrungen ich treffen möchte und welches Equipment ich ggf. zusätzlich einführen möchte.
Wir sind also, noch bevor ich mein finales Go zu diesem Abenteuer gab, für ein “house hunting” in die Staaten geflogen worden (netterweise ist das im “relocation package” enthalten gewesen, um uns die Entscheidung pro Umzug schmackhaft zu machen), haben aber mitnichten “houses” für uns angeschaut, sondern de facto eine große Stall-Tour gemacht, auf der wir uns mögliche Ställe rund um Seattle und Umgebung angesehen haben.
War (und das ließ ich zu der Zeit noch offen, stimmte dann aber bald freudig zu) der richtige Stall gefunden, würden wir dort nach unserer eigenen Wohnung schauen und in diese Richtung ziehen, so die Abmachung.
Dafür hatten wir glücklicherweise eine Weile Zeit, da uns nach Ankunft einige Wochen ein “temporary housing” gestellt wurde, bis wir eine geeignete eigene Wohnung finden können.
Was beinhaltet der Service eines Transporteurs?
Nachdem der Casus Knacksus, Domingos neuer Stall, somit bald vom Tisch war und wir das Angebot angenommen hatten, ging es nun konkret darum, den Transport des Pferdes zu organisieren.
Grundsätzlich ist ein internationaler Transport erstmal gar nicht so ein Hexenwerk – es gibt international agierende Pferdetransporteure, die den gesamten Transport „von Tür zu Tür“ abwickeln. Andere arbeiten über den Flug hinaus mit lokalen Dienstleistern zusammen und bieten damit im Endeffekt einen ähnlichen Service.
Bucht man diesen „Tür-zu-Tür“-Service eines Transporteurs, wird das Pferd einige Tage vor dem Flug am Heimat-Stall abgeholt, auf die Anlage des Transporteurs gebracht und dort aufgestallt. Vor Ort wird das Pferd vom Amtstierarzt untersucht und mit Gesundheits-Zertifikaten und Transport- und Zoll-Papieren ausgestattet. Nachdem alle Unterlagen erstellt wurden, wird es dann zum Flughafen gebracht. Von welchem Ort die Pferde fliegen, wird kurzfristig festgelegt, je nachdem , an welchem Flughafen die Transportbox der Pferde am schnellsten gefüllt werden kann.
Der deutsche Flughafen für internationalen Tier-Cargotransport in Frankfurt (FFM), hat ein sehr geringes Nachfrage-Volumen, weshalb die meisten Flüge aus Amsterdam (NL) oder Luxemburg (LUX) starten – in Domingos Fall wurde es dann Amsterdam.
Wir haben uns auf dem Hinflug für die deutsche Spedition „Guido Klatte – international horse transport“ entschieden, auf dem Rückflug nahmen wir den Service des ursprünglich britischen Unternehmens „IRT“ in Anspruch.
Der Flug selbst
Je nach Transporteur besteht für den Besitzer die Möglichkeit, selbst als Flugbegleiter mit zu fliegen – nimmt man diese Option nicht in Anspruch, wird medizinisch geschultes Personal vom Transporteurs gestellt, da die Pferde eine konstante Betreuung während des Fluges erhalten.
In unserem Fall entschieden wir uns gegen das persönliche Begleiten meines Pferdes, da pro Person im Personenflug nur eine Katze mitfliegen darf und wir hier sonst Probleme bekommen hätten. Zudem war mir die Gewissheit, dass mein Pferd im Notfall von erfahrenen und medizinisch kompetenten Tier-Flugbegleitern betreut ist, wichtiger, als selbst bei ihm und gegebenenfalls im entscheidenden Moment überfordert und/oder ratlos zu sein.
Sediert werden die Pferde regulär nicht. Durch die permanente Bereitstellung von Heu während des gesamten Fluges bekommen sie die Druckunterschiede durch das konstante Kauen kaum mit.
Bei akutem Bedarf können die Pferde während des Fluges sediert werden. Dies ist laut Angaben des Transporteurs aber sehr selten notwendig – für die Pferde gleicht die Transportbox eines solchen Cargo-Fluges der Fahrt mit einem regulären Pferdehänger, die Boxen sind ähnlich geräumig, die Pferde stehen auch hier längs nebeneinander.
Im Normalfall stehen je drei Pferde in einer Transportbox nebeneinander, man kann auf Wunsch jedoch auch eine Box für das Pferd alleine buchen – das kostet jedoch die dreifache Summe.
Eine Einzelbox hat den großen Vorteil, dass nicht zwei weitere Pferde gefunden werden müssen, um die Box für den Flug voll zu bekommen – das ist jedoch sehr teuer.
Zudem sprach die Gesellschaft anderer Pferde für uns ebenfalls dafür, eine 3er-Box zu nehmen. So sieht das Pferd während des knapp 12-stündigen Fluges nach Seattle andere Tiere und fühlt sich weniger verloren.
Jedoch müssen in einer 3er-Box erst drei Pferde zusammenkommen – dadurch wird das Flugdatum variabel.
Je nach Saison (in den Wintermonaten sind Pferde-Transfers aufgrund der geringen Nachfrage merklich seltener) und eben jener Nachfrage nach Pferde-Flügen zum selben Ziel-Flughafen kann eine fixe Zusage tatsächlich einige Wochen dauern, weshalb wir unseren eigenen Flug erst buchen konnten, nachdem wir das gesetzte Flugdatum für Domingo mitgeteilt bekamen.
Etwa 14 Tage vor seinem Flug bekamen wir Bescheid, sodass wir unser aller Umzug in die Wege leiten konnten: Unseren Flug buchen, die Spedition für unsere Möbel bestellen, das “temporary housing” in Seattle organisieren und letzte Treffen mit Freunde und Familie ausmachen.
Quarantäne und Weiterreise
Je nach Zielland gelten andere Quarantänebestimmungen; in den Staaten muss das Pferd nicht im Ursprungsland, jedoch am US-Flughafen selbst in Quarantäne.
Bei fortpflanzungsfähigen Pferden (Stute, Hengst) sind das bis zu 30 Tage, bei Wallachen wie Domingo nur bis zu 3 Tage.
Die Quarantäne findet häufig noch am Flughafen oder in kurzer Distanz dazu statt, das Pferd darf nicht besucht werden und wird streng separiert – keine schöne Situation, gern hätte ich ihn selbst in Empfang genommen, um ihn wissen zu lassen, dass er nicht völlig alleine und verloren ist auf einem anderen Kontinent, aber leider war das keine Option.
In den Staaten gibt es für internationalen Pferde-Flugverkehr drei Flughäfen, die angeflogen werden können, da sie entsprechende Quarantänestationen aufweisen: New York, Miami und Los Angeles.
Domingo flog nach LA – und musste von dort mit einem weiteren Dienstleister knapp 1.800 Kilometern nach Seattle gefahren werden.
Somit hatte er nach seiner Quarantäne noch eine Fahrt von knapp 22 Stunden (staufrei) vor sich, bevor er endgültig in seinem neuen Stall ankommen würde.
„Es könnte relativ einfach sein, wenn die Frau nicht noch Sonderlocken möchte“
…so die Worte meines Mannes.
Denn so ganz sagte mir dieses Prozedere nicht zu. Ich wollte Domingo nicht tagelang beim Transporteur auf der Anlage wissen, ohne ein Flugdatum zu haben und sicher zu wissen, wie lange er dort in fremder Obhut sein würde und inwiefern Bewegung und Auslauf sichergestellt wären.
Somit haben wir uns dafür entschieden, Domingo erst einen Tag vor seinem Flug auf eigene Kosten mit einer privater Spedition direkt zum Flughafen in die Obhut des Transporteurs bringen zu lassen, um ihn so lange wie möglich in gewohnter Umgebung und vertrauter Gesellschaft behalten zu können.
Das erforderte ein eigenständiges Organisieren des Transportes nach Amsterdam. Zudem mussten wir einen Amtstierarztes bestellen, der auch in München die Papiere ausstellt und kurzfristig die Blutuntersuchungen in einem dafür zertifizierten Labor durchführen lassen konnte.
Das bedeutete einiges an Koordination und enger Absprache zwischen allen Dienstleistern, sodass letztlich sichergestellt werden konnte, dass wirklich alle Papiere zur Ausfuhr vollständig und parat waren – zum Glück verlief das relativ reibungslos.
Relativ, da Domingo am Morgen des Abholens noch notfallmäßig wegen eines derart dick geschwollenen Beines, dass von einem Sehnenschaden ausgegangen wurde, sich glücklicherweise aber nur eine sehr ausgeprägte Phlegmone bestätigte, in die Tierklinik musste, dort geflickt und mit einer dicken Tüte Antibiotika spontan von dort dem Spediteur übergeben wurde, der seine Route somit kurzfristig nochmal ändern musste.
Wer uns auf Instagram folgt, weiß, dass Domingo gerne auf den letzten Drücker solche Stunts an den Tag legt.
Ich kann von Glück sagen, dass hier wirklich jeder sein Bestes gab und alle Parteien an einem Strang zogen, sodass wir das noch kurz vor knapp über die Bühne brachten und Domingo seine Reise antreten konnte.
Diese Sonderlocke kostete uns also auf den letzten Metern noch einige Nerven – nichtsdestotrotz hatte ich auch beim Rückzug gut zweieinhalb Jahre später wieder einige Extrawünsche – dazu aber dazu später mehr…
Rückflug, Seattle – München
Verschäftere Einfuhrbedingungen beim Import nach Deutschland
Anders als die USA erfordert Deutschland für die Einreise von Pferden in einigen Punkten strengere Vorkehrungen, zudem müssen auch hier alle Impfungen auf dem neuesten Stand und die Gesundheit des Pferdes völlig gewährleistet sein.
Das alles muss ebenfalls mehrmals durch einen offiziellen Amtstierarzt geprüft werden.
Strenge Quarantäne für die Einfuhr nach Deutschland
Pferde, die aus dem Ausland nach Deutschland eingeführt werden, müssen für eine Einreise nach Deutschland in eine sehr viel längere Quarantäne (Wallache wie Domingo 30 Tage, Stuten und Hengste deutlich länger).
Die Quarantäne wird in der Regel in einer expliziten Quarantänestation (häufig in der Nähe des Flughafens) durchgeführt. Auch hier darf das Pferd nicht besucht werden und wird, falls möglich, vor Ort ein wenig geführt am Tag.
Man ahnt es schon – das missfiel mir sehr, weshalb wir hier mit einiger Mühe eine andere Lösung finden konnten: Da Domingo in Seattle in einem sehr kleinen Stall stand, der über Halle und Außenplatz verfügte, konnten wir einen Amtstierarzt finden, der die Quarantäne unter speziellen Vorkehrungen abnahm.
Diese Vorkehrungen beinhalteten, dass kein Pferd die Anlage verlassen durfte, keine neuen Pferde aufgenommen werden durften, Domingo und die Pferde in seiner Weiden-Gemeinschaft keinen Kontakt zu anderen Pferden auf der Anlage haben durften, die Pferde seiner Gemeinschaft nur den Außenplatz, die anderen Pferde nur die Halle nutzen durften, um Kontakt zu verhindern, und alle Pfleger, Besitzer und auf der Anlage befindlichen Personen bei Umgang mit Pferden aus den verschiedenen Gemeinschaften desinfizierende, hygienische Schritte durchlaufen mussten.
Eine Menge strenger Regeln, doch wir konnten uns glücklich schätzen und alle machten diese Ausnahme möglich, um Domingo die 30 Tage Quarantäne in seinem Stall in Seattle zu ermöglichen und ihm 30 Tage Isolation alleine in LA zu ersparen.
Zoll: Umzugs- versus Verkaufsgut
Eine weitere Besonderheit war bei der Rücküberführung des Pferdes nach Deutschland, dass der deutsche Zoll signifikant strengere Einfuhrbedingungen hat.
Wir mussten also beweisen und prüfbar verifizieren, dass Domingo ein sogenannten Umzugsgut darstellt und in naher und mittelfristiger Zukunft nicht in Deutschland verkaufen werden würde – andernfalls fällt eine empfindliche Zollgebühr an, sollte Zweifel daran bestehen, ob das Pferd nicht doch ein Verkaufsgut darstellen könnte.
Konkret erfordert das eine schriftliche, verbindliche Erklärung an den Zoll, dass das Tier nicht verkauft werden wird.
Das wird nach Ankunft geprüft – der Zoll stand also einige Wochen nach Domingos Rückkehr bei uns im neuen, deutschen Stall und stellte sicher, dass das Pferd noch Eigentum ist, einen festen Stall hat und nicht zum Verkauf steht.
Unter’m Strich
Eine internationale Überführung eines Pferdes ist teuer, umfangreich, aufwendig – und mit einigem Stress für Mensch und Tier verbunden.
Würde ich es wieder tun?
Dennoch: ja!
Domingo hat mir in den Staaten viel Halt und Zuhause gegeben, war wie in Deutschland mein Ruhepol und mentaler Ausgleich – das würde ich nicht missen wollen.
Mehr zu unserem Leben mit Pferd in den Staaten aber in einem separaten Bericht in den kommenden Wochen – thus, stay tuned!