Wenn wir über Reitsportikonen sprechen, die Frauen den Weg in den großen Sport ebneten – und das tun wir in der Artikelserie “From M to F” – dann darf ein Name nicht fehlen: Liselott Linsenhoff. Noch heute steht der Name Linsenhoff in Deutschland für eine der bekanntesten Pferdefamilie. Dabei begann die Liebe zum Pferd mit einem Mann, der nicht einmal Linsenhoff hieß.
Wie der Vater so die Tochter
Denn Liselott Linsenhoff wurde als Liselott Schindling am 27. August 1927 in Frankfurt am Main als Tochter des Industriellen Adolf Schindling und seiner Frau Elisabeth Charlotte (geb. Paulus) geboren. Ihr Vater war es von dem Liselott die Liebe zur Reiterei erbte.
Adolf Schindling war zwar gelernter Kaufmann, heuerte aber als Matrose bei der Marine an und kam so in eine der damaligen deutschen Kolonien nach Tsingtau in China. Dort nahm er an einem Pferderennen teil. Dieser Ritt weckte seine Liebe und Begeisterung für den Rennsport und Rennpferde. Zurück in Deutschland wurde Adolf Schindling ein sehr erfolgreicher Unternehmer. Neben seinen beruflichen Aktivitäten widmete er sich auch der Pferdezucht auf dem von ihm gegründeten Gestüt Asta in Tanneck bei Köln.
Die Liebe zu den Vierbeinern gab er auch seiner Tochter Liselott mit auf den Weg. Trotz des väterlichen Elans für den Rennsport fand Liselott nur wenig Gefallen daran. Sie begeisterte sich viel mehr für die klassische Dressur. Trotz der unterschiedlichen Vorlieben im Reitsport unterstützte ihr Vater Liselott, indem er ihr geeignete Pferde zur Verfügung stellt und mit Otto Lörke einen der besten damaligen Trainer für seine Tochter verpflichtete.
Von Schindling zu Linsenhoff
Im Jahr 1950, mit 23 Jahren heiratete Liselott Schindling Fritz Linsenhoff, der ebenfalls ein begabter Reiter war. Häufig traten die beiden in denselben Prüfungen an.Trotz des reiterlichen Könnens ihres Mannes belegte Liselott häufig den ersten Platz. Dennoch war es zu der damaligen Zeit durchaus noch nicht normal, dass Liselott die große reiterliche Karriere machte.
Erst bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki wurde die Teilnahme von Frauen in der Dressur erlaubt. Zuvor war die Teilnahme an Championaten lediglich Soldaten gestattet. In den 1950er Jahren war die Teilnahme von Frauen an Dressurchampionaten entsprechend noch etwas absolut außergewöhnliches.
Bereits 1956 bei den zweiten Olympischen Spielen bei denen Frauen in der Dressur zugelassen wurden, startete Liselott Linsenhoff. Mit einer denkwürdigen Bronzemedaille im Einzel und der Silbermedaille in der Mannschaft ließ sie bereits anklingen, was sie über Jahrzehnte beweisen sollte; nämlich das sie eine der besten Dressurreiterinnen der Welt war. Ab dieser Teilnahme war der Name Linsenhoff für Jahre nicht aus dem Dressursport – und vor allem aus den vorderen Rängen der großen Championate – wegzudenken.
Deutsche- Europa- und Weltmeisterin
Nach dem Erfolg bei Olympia wurde sie bei den Deutschen Meisterschaften 1959 Dritte. 1960 kam dann Tochter Ann Kathrin Linsenhoff, die selbst eine der erfolgreichsten Dressurreiterinnen ihrer Zeit werden sollte, zur Welt. Doch auch mit ihrer neuen Rolle als Mutter brach der sportliche Erfolg nicht ab. Im Gegenteil. Betrachtet man heute die Ergebnisse ihrer Karriere scheint es, als hätte Linsenhoff Anlauf genommen zum großen Erfolg und quasi im Vorbeilauf alle großen Titel abgeräumt.
In den Jahren 1961 und 1965 belegte sie abermals den Dritten Platz bei der deutschen Meisterschaft der Dressurreiter, 1966 dann den zweiten Platz. Im Jahr 1968 nahm Linsenhoff erneut an den Olympischen Spielen teil, die in Mexiko stattfanden. Zusammen mit den Reitsportlegenden Josef Neckermann und Dr. Reiner Klimke startete Liselott Linsenhoff mit ihrem Pferd Piaff. In der Mannschaft gewann das starke Deutsche Team die Goldmedaille.
1969 manifestierte sie ihre herausragende Leistung auch auf Europäischer Ebene: Sowohl mit der Mannschaft als auch im Einzel wird Linsenhoff Europameisterin. Im darauffolgenden Jahr 1970 tritt Linsenhoff dann bei der Weltmeisterschaft an und wird sowohl mit der Mannschaft als auch im Einzel Vize-Weltmeister. 1971 verteidigte Sie ihre Europameistertitel und gewann erneut sowohl im Einzel als auch mit der Mannschaft und wurde zudem Deutsche Meisterin, bevor sie dann 1972 zu ihrem größten Triumph ansetzen sollte.
Erste Goldmedaille bei Olympia im Einzel für eine Frau
Bei den Olympischen Spielen vor heimischem Publikum in München ging die damalige Deutsche Meisterin, Europameisterin und Vize-Weltmeisterin mit ihrem Erfolgspferd “Piaff” an den Start. An dieses großartige Pferd erinnert heute noch der bekannte Piaff-Förderpreis für Dressur-Nachwuchsreiter, der nach dem Pferd benannt und durch die Liselott Schindling-Stiftung ermöglicht wird.
Nachdem Linsenhoff zusammen mit ihren Mannschaftskollegen Josef Neckermann auf Venetia und Karin Schlüter auf Liostro bereits in der Mannschaftsprüfung, die zwei Tage vor der Einzelwertung stattfand, die Silbermedaille geholt hatte, trat sie am 9. September 1972 gegen insgesamt 33 Konkurrenten aus 13 Ländern, darunter auch ihre Mannschaftskollegen Neckermann und Schlüter, im Einzelwettkampf an.
Unfassbar leichtfüßig, routiniert, hochkonzentriert und voller Kraft präsentierte Linsenhoff sich auf ihrem Hengst Piaff in der entscheidenden Prüfung. Diese brilliante Vorstellung wurde von den Richtern mit 1.229 Punkten bewertet. Damit gewann Linsenhoff die Goldmedaille mit einem relativ großen Abstand zur Zweitplatzierten Russin Jelena Petuschkowa. Den dritten Platz gewann Linsenhoffs Teamkollege Josef Neckermann. Mit dieser Goldmedaille wurde Liselott Linsenhoff zur ersten Frau die eine Einzel-Goldmedaille in der Dressur gewann.
Stiftung und Gestüt Schafhof
Nach ihrem phänomenalen Erfolg 1972 in München wurde Linsenhoff 1973 erneut Europameisterin mit der Mannschaft. Im Jahr 1974 holte sie zudem erneut den Weltmeistertitel in der Mannschaft und den zweiten Platz bei der Weltmeisterschaft im Einzel. 1975 im Alter von 48 Jahren beendete Liselott Linsenhoff ihre sportliche Karriere.
Seit dem Tod ihres Vaters 1963 hatte Liselott zusammen mit ihrem Mann die Unternehmensleitung der damals äußerst erfolgreichen VDO Tachometer AG, dem Unternehmen ihres Vaters, übernommen.
Linsenhoff, die nach ihrer Scheidung 1975 wieder ihren Mädchennamen Schindling angenommen hatte, blieb dem Dressursport auch nach dem Ende ihrer sportlichen Karriere durch ihre Stiftung, die sich um die Förderung des Dressurnachwuchs bemüht und unter anderem den Piaff-Förderpreis ermöglicht, sogar bis über ihren Lebensabend im Jahr 1999 hinaus treu.
Auch mit ihrem Gestüt, dem Schafhof im Taunus, setzte sie sich ein noch heute existierendes Denkmal. Das gestüt Schafhof führt heute ihre Tochter Ann Kathrin Linsenhoff, die ebenfalls Olympiasiegerin in der Dressur (1988 in Seoul mit der Mannschaft) wurde und bis zu ihrem Karriereende eine der erfolgreichsten Dressurreiterinnen der Welt war, zusammen mit ihrem Mann Klaus Martin Rath und dessen Sohn Matthias Alexander Rath.
Der Name Linsenhof und das Gestüt Schafhof ist im Reitsport seit jeher ein Begriff. Außerhalb der Reitsportszene wurde der Name Linsenhoff und das gestüt Schafhof vor allem beim Kauf von Ausnahmepferd Totilas durch Paul Schockemöhle bekannt. Zusammen mit Ann Kathrin Linsenhoff bildete eine Besitzergemeinschaft. Eigens für den KWPN-Hengst wurde auf dem Schafhof eine Deckstation aufgebaut. Als Reiter wurde zudem Linsenhoffs Stiefsohn Matthias Alexander Rath eingesetzt.