Heute prägen vor allem Frauen das Bild in der Reitsportszene. Doch das war nicht immer so. Bis in die 70er Jahren gaben Frauen vor allem im Spitzensport noch ein seltenes Bild ab. Nachdem Reitsportlegenden wie Irmgard von Opel, Ida von Nagel, Lis Hartel oder auch Liselott Linsenhoff die Türen für die Frauen im Reitsport aufgestoßen hatten, kamen Ende der 80er Jahre eine ganze Riege von exzellenten Reiterinnen, die die Türe buchstäblich aus den Angeln hoben: Monica Theodorescu, Ann-Kathrin Linsenhoff und allen voran Nicole Uphoff. Mit diesen Reiterinnen sollte sich der Reitsport – insbesondere der Dressursport – nachhaltig verändern.
Auf dem Weg zur Normalität
Nachdem Liselott Linsenhoff 1975 ihre sportliche Karriere beendete, hatte sich bereits vieles für die Damenriege im Reitsport gewandelt. Statt wie in den Jahrzehnten zuvor ergab sich keine Lücke, sondern es rückten Frauen in den Reitsport nach. So wurde Karin Schlüter im Jahr des sportlichen Rücktritts von Linsenhoff dritte bei der Europameisterschaft der Dressurreiter. Christine Stückelberger aus der Schweiz gewann 1978 die Weltmeisterschaft in England. In dem darauffolgenden Jahrzehnt gelang es mehr und mehr Frauen die oberen Ränge im Spitzensport zu besiedeln.
Nicole Uphoff mit Rembrandt schreibt Geschichte
Besiegelt werden sollte der Siegeszug der Frauen, dann Ende der 80er Jahre. Bei den Deutschen Meisterschaften und Olympischen Spielen 1988 dominierte vor allem eine Frau: Nicole Uphoff. Mit ihrem Ausnahmepferd Rembrandt gelangen der gebürtigen Duisburgerin etliche sportliche Erfolge. So gewann sie bei den Olympischen Spielen, wurde Welt- und Europameisterin, sowie Deutsche Meisterin.
Bereits in jungen Jahren hatte Uphoff mit dem Reiten begonnen. Nach ihrem Schulabschluss begann sie ihr Training bei Reitmeister Uwe Schulten-Baumer. Bereits ein Jahr nach dem Trainerwechsel gewann Uphoff ihren ersten Grand Prix Special – damals bereits mit dem Westfalenwallach Rembrandt. Im Jahr darauf folgten dann der Doppel-Olympiasieg, sowie der Titel Deutsche Meisterin. Doch das sollte erst der Start ihrer Karriere gewesen sein. 1989 wurde Uphoff Europameisterin mit der Mannschaft und im Einzel, zudem verteidigte sie ihren Titel bei der Deutschen Meisterschaft. 1990 wurde sie Weltmeisterin mit der Mannschaft und im Einzel. 1992 erneut Doppel-Olympiasiegerin. Die Liste ließe sich noch weiter fortführen, gewann Uphoff mit ihrem Wallach Rembrandt zu dieser Zeit alle nennenswerten Titel gleich mehrfach.
Starkes weibliches Dressurteam
Die vielen Einzeltitel Uphoffs zeigen deutlich, dass sie damals das Dressurviereck dominierte. Doch eine Mannschaftsmedaille wird nicht nur von einem paar Schultern getragen. Mit Ann-Kathrin Linsenhoff, Monica Theodorescu und ab Anfang der 90er Jahre dann auch Isabell Werth versammelte sich ein rein weibliches und bärenstarkes Dressurteam in den deutschen Reihen. Erstmals in der Geschichte der Dressurreiter bestand das deutsche Team für Olympia 1988 aus mehr Frauen als Männern. Dabei waren Ann-Kathrin Linsenhoff auf Courage, Monica Theodorescu auf Ganimedes, Nicole Uphoff auf Rembrandt und als einziger Mann in der Riege Dr. Reiner Klimke auf Ahlerich.
Bei den Olympischen Sommerspielen 2000 in Sydney bestand die deutsche Dressurreitermannschaft dann erstmals nur noch aus Frauen: Nadine Capellmann auf Farbenfroh, Ulla Salzgeber auf Rusty, Alexandra Simons auf Chacomo und Isabell Werth auf Gigolo FRH. Seit dem ist es nur drei männlichen Teilnehmern gelungen sich zwischen die Reihen der starten Dressurreiterinnen zu drängen: Martin Schaudt und Hubertus Schmidt (2004) und Sönke Rothenberger (2016).
Heute: Männer- statt Frauenmangel
Betrachtet man den Verlauf der Geschichte so erscheint es ironisch, dass heutzutage, insbesondere in der Dressur, ein regelrechter Männermangel besteht. Waren es doch einst vor allem die Offiziere die in der Dressur ihr reiterliches Können unter Beweis stellten. Als 1952 Frauen erstmals zum Start bei Olympia zugelassen wurden, waren Frauen, wie Lis Hartel oder Ida von Nagel im Spitzensport eine Rarität und Sensation.
Mit Jessica von Bredow-Werndl, Isabell Werth und Dorothee Schneider als Dressurmannschaft bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio scheint niemand mehr Dressurreiten als “Frauensport” in Frage zu stellen. Viel mehr noch fallen heute Männer wie Benjamin von Bredow-Werndl oder Sönke Rothenberger im Dressurviereck fast genauso auf wie einst Ida von Nagel oder Lis Hartel. In den Disziplinen Springen und Vielseitigkeit domineren zwar auch bereits die Damen, jedoch lassen sich im Vergleich zu Dressur doch deutlich mehr Jungs und Männer unter den Reitern finden. Von der einst reinen männlich dominierten Militärdisziplin Dressur hingegen sind nur noch Hufschlagfiguren und Kommandos geblieben.
Tatsächlich scheint es nun an der Zeit Männer auch wieder für den Dressursport zu begeistern – und das nicht nur im Spitzensport, wo sich doch einige international erfolgreiche Herren finden lassen, sondern auch und vor allem für ländliche Turniere der mittleren und leichten Klassen, auf denen es häufig zu rein weiblichen Startfeldern kommt.