Ein Beitrag von Joana Marie Sliwik

Feines Reiten. Das ist wohl das große Ziel aller Reiter. Der wohl größte Gegner von diesem Ziel stellt der Zügel dar. Den richtigen Einsatz der Zügelhilfen zu verstehen und dann auch noch richtig umzusetzen ist nicht so einfach und nicht selten wird er falsch verstanden. Heute schauen wir deshalb einmal auf die Theorie dahinter. 

Die Grundlagen

Die Grundlage für die richtige Einwirkung, ist Verständnis und Hintergrundwissen. Was sind Zügelhilfen überhaupt? Sie sind die Ergänzung zu den Gewichts- und Schenkelhilfen und werden immer in Kombination mit diesen eingesetzt. Das erfordert nicht nur viel Körperbeherrschung, sondern auch einen ausbalancierten und losgelassenen Sitz, sowie die korrekte Zügelhaltung. 

Die Basis ist die richtige Haltung der Zügel 

Der Zügel sollte unverdreht und gleich lang zwischen dem kleinen und dem Ringfinger aufgenommen werden und läuft dann durch die Hand über den Zeigefinger. Dort wird er vom Daumen fixiert, sodass der Zügel nicht durch die Faust rutschen kann. Dies gelingt, indem der Daumen leicht angewinkelt ist (er sieht dann fast aus wie ein kleines Hausdach). Der Reiter drückt die Fingerspitze des Daumens leicht auf den Zügel und den darunterliegenden Zeigefinger. Die Hände sind zwar geschlossen, aber unverkrampft und stehen aufrecht. Unterarm, Zügel und Pferdemaul bilden eine gerade Linie. Enorm wichtig bei der Haltung und Führung der Zügel ist, diese niemals über den Mähnenkamm auf die andere Seite zu ziehen! 

Das richtige Zügelmaß finden

Viele Reiter haben Probleme dabei, das richtige Zügelmaß zu finden. Erstmal sollten wir uns damit beschäftigen, wie wir das Zügelmaß richtig korrigieren. Verkürzt wird durch das Nachfassen der Zügel. Der Zügel, der verkürzt werden soll, wird in die andere Hand übergeben, während die freiwerdende Hand die Fäuste leicht öffnet und am Zügel weiter nach vorne gleitet. Wird der Zügel verkürzt ohne an die andere Hand zu übergeben, kann dies zu Störungen im Pferdemaul führen und die elastische Anlehnung wird gefährdet. Um das Zügelmaß zu verlängern lässt der Reiter den Zügel einfach durch die Hand gleiten. 

Das richtige Zügelmaß ist abhängig von der reiterlichen Situation, sowie der individuellen Armlänge des Reiters, dem Tempo, der Haltung und der Lektion. Grundsätzlich kann man sagen, dass der Reiter das passende Zügelmaß gefunden hat, wenn das Pferd in gewünschter und richtiger Haltung geht und der Reiter die richtige Position eingenommen hat. Das heißt er sitzt unverkrampft, die Ellenbogen liegen leicht angewinkelt am Körper und die Unterarme und Zügel ergeben eine Linie. 

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Zügelhilfen – welche gibt es überhaupt? 

Grundvoraussetzung für jede Zügelhilfe ist eine leichte, elastische Zügelverbindung zum Pferdemaul. Eine Zügeleinwirkung ist daher eigentlich zu jedem Zeitpunkt gegeben, ganz besonders dann, wenn das Pferd sich vertrauensvoll an die Reiterhand herandehnt. In Verbindung mit Schenkel- und Gewichtshilfen kann der Reiter nun gefühlvoll -zumindest ist das das Ziel – auf das Pferd einwirken. Jede Zügelhilfe besteht im Grunde genommen aus Druckveränderung. Es wird dabei in erster Linie zwischen annehmend und nachgebend unterschieden. Außerdem gibt es aushaltende (durchhaltende), seitwärtsweisende und verwahrende Zügelhilfen. 

Kein Annehmen ohne Nachgeben! 

In Verbindung mit den entsprechenden Gewichts- und Schenkelhilfen sind die annehmenden, nachgebenden und durchhaltenden Zügelhilfen die Basis unserer Kommunikation mit dem Pferd. Wir brauchen sie für jede halbe Parade, welche zum Beispiel für Übergänge, zur Verbesserung der Selbsthaltung und Anlehnung ganz allgemein und die Vorbereitung von Lektionen verantwortlich sind. Das Nachgeben und Annehmen sollte so fein wie möglich differenziert sein. Für einen Betrachter sollten diese Zügelhilfen kaum wahrnehmbar sein. 

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Nachgebende Zügelhilfe

Das leichte Öffnen der Zügelfäuste aus dem Handgelenk heraus oder durch ein leichtes Vorgehen mit dem Arm. Die Anlehnung, sprich die Verbindung zum Pferdemaul, bleibt währenddessen weiterhin bestehen. Die nachgebende Zügelhilfe erfolgt nach jeder annehmenden oder durchhaltenden Zügelhilfe! Wir brauchen sie um die Anlehnung leichter zu gestalten, kurzfristig aufzugeben oder die Nase des Pferdes vor zu lassen.

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Aushaltende/durchhaltende Zügelhilfe

Hierbei schließt der Reiter das Pferd für einen kurzen Moment vermehrt in die Hilfen ein. Für einen Moment wird die Bewegung nach vorne begrenzt, indem der Reiter das Pferd von hinten nach vorne an die Hand heran treibt und die Fäuste für einen Moment schließt, sodass das Pferd leicht in der Zügelverbindung wird. Dabei sollte niemals so großer Druck entstehen, dass das Pferd mit Widerstand reagiert. Gefühlvoll ist hierbei das A und O. Wichtig ist die aushaltende Zügelhilfe beispielsweise für die Einleitung eines Übergangs in eine niedrigere Gangart oder zum Rückwärtsrichten. Auch hierbei folgt selbstverständlich wieder das Nachgeben und auch diese Zügelhilfe darf nicht zu lang ausgedehnt werden. 

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Seitwärtsweisende Zügelhilfe

Besonders bei jungen Pferden kann diese Zügelhilfe hilfreich sein, um Wendungen einzuleiten, das Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen einzuleiten oder auch Lektionen wie die Hinterhandwendung einzuleiten. In der Regel wird sie mit der inneren Hand gegeben. Der Reiter entfernt hierbei die Hand einige Zentimeter vom Pferdehals. 

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Annehmende Zügelhilfe

Die Hand wird geschlossen oder die Zügelfäuste werden locker aus dem Handgelenk leicht eingedreht. Genutzt wird sie zum Beispiel bei einer halben Parade. Darauf folgt eine nachgebende Zügelhilfe. Jede annehmende Zügelhilfe hat auf das Pferd immer eine die Bewegung/Beweglichkeit einschränkende Wirkung, sie muss daher gefühlvoll sein und darf nur kurzfristig gegeben werden. Der Reiter sollte niemals im Annehmen oder Aushalten (Durchhalten) verharren! 

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Verwahrende Zügelhilfe

Diese Zügelhilfe wird stets vom äußeren Zügel gegeben und ist wichtig für die Stellung und Biegung. Wenn der Reiter in Stellung reitet, wird (in der Regel) der innere Zügel etwas angenommen, der äußere Zügel gibt genau so viel nach, um diese Stellung zuzulassen, begrenzt aber gleichzeitig die Position des Gebisses im Maul. Würde der Reiter bloß den inneren Zügel annehmen, ohne den äußeren Zügel verwahrend anstehen zu lassen, würde er das Gebiss durch das Maul des Pferdes ziehen. Außerdem fungiert der äußere Zügel als Begrenzung der äußeren Pferdeschulter. Auch in diesem Fall darf der Reiter niemals nur annehmen. Er muss ebenfalls nachgeben! 

Aufklärungsbedarf! Anlehnung? „Am Zügel“? „Mit hingegebenen Zügel“? „Am langen Zügel“? 

Nun haben wir die verschiedenen Zügelhilfen gelernt. Aber im Zusammenhang gibt es noch so einige weitere Begriffe die erklärt werden sollten.

Was ist überhaupt die Anlehnung? Eigentlich haben wir schon viel indirekt über die Anlehnung gesprochen. Sie beschreibt die stete und weich-federnde Verbindung zwischen Pferdemaul und Reiterhand. Das Pferd wird mithilfe der Gewichts-, Schenkel- und Zügelhilfen eingerahmt, doch keinesfalls eingezwängt. Die Anlehnung ist stets dynamisch, manchmal stärker, manchmal wieder weicher. Der Reiter sollte jedoch stets bestrebt sein, die Anlehnung so leicht wie möglich zu gestalten. Der Reiter sollte durch angemessenes Treiben und losgelassenes Mitschwingen dafür sorgen, dass das Pferd aktiv mit der Hinterhand abfußt, tief unter den Schwerpunkt tritt und über den losgelassenen Rücken von hinten nach vorne an die Reiterhand herantritt. 

Wenn das Pferd „am Zügel“ geht, gibt es dem Reiter bei sicherer Haltung das Gefühl von einer stetigen, weichen Verbindung zum Pferdemaul. Wenn es „mit hingegebenem Zügel“ geht, besteht keine Verbindung mehr zwischen Reiterhand und Pferdemaul. Das heißt der Zügel wird an der Schnalle angefasst. Es geht „am langen Zügel“, wenn zwar eine stete Verbindung zwischen Pferdemaul und Reiterhand besteht, die Stirn-Nasenlinie jedoch stets vor der Senkrechten bleibt. 

Der richtige Einsatz der Zügelhilfen ist genauso wichtig, wie die Schenkel- und Gewichtshilfen. Erst im Einklang aller drei beginnt korrektes Reiten. 

Hast du Fragen zur Zügelhilfe? Dann stell sie hier unter dem Beitrag, indem Du einen Kommentar schreibst. 

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